Auf der gesamten Welt strömen Menschen wieder in großen Massen in die Kinos, Zuschauerrekorde werden gebrochen und große Filmstudios wollen zukünftig wieder mehr Projekte auf die große Leinwand bringen. Hat sich das Kino wieder von der Corona-Zwangspause erholt, wie steht es hierzulande um die Lichtspielhäuser und ist die große Leinwand auch weiterhin der beste Ort, um Filme erleben zu können?

Der Geruch von frischem Popcorn weht durch den Saal, der letzte Besucher nimmt Platz, schon öffnet sich der rote Vorhang und gibt dem Publikum den Blick auf die große Leinwand frei. Seit Ende des 19. Jahrhunderts begeistert die Lichtspielprojektion Groß und Klein auf der gesamten Welt. Vor nicht allzu langer Zeit war das Kino noch die einzige Möglichkeit, um groß produzierte Filme erleben zu können. Das Fernsehen war nicht wirklich Konkurrenz, da das Angebot, welches über die Bildschirme flimmerte, nicht den Anspruch einer aufwändigen Kinoproduktion verfolgte.
Heute im Jahr 2023 ist das längst nicht mehr so. Hierzulande nutzt ein Haushalt inzwischen mindestens zwei Streaming-Abos und jeder Zehnte hat seinen eigenen Account bei Netflix. Waren Pay-TV- und Streaming-Abos lange eine Nische, sind sie nun ein fester Bestandteil des alltäglichen Entertainment-Konsums. Die Zeit, in der neben der großen Leinwand, nur billig produzierte TV-Streifen eine Alternative zum Kinogang waren, gehören auch deshalb der Vergangenheit an, da Streaming-Pionier Netflix seit vielen Jahren Milliarden für neue hochqualitative Inhalte ausgibt.

Courtesy of Netflix © 2022
Gab das Unternehmen in seiner Anfangszeit vor allem Geld für Rechte aus, um Filme und Serien bereitstellen zu können, legte Netflix 2013 den Fokus auf eigene, neue Inhalte. 2021 investierte der Streaming-Marktführer 17 Milliarden US-Dollar für neuen Content und bietet weltweit etwa 17.000 Titel.
Wie groß ist die Streaming-Konkurrenz für das Kino?
Da der große Streaming-Erfolg nicht ungesehen blieb, eröffneten mit der Zeit auch immer mehr große Filmstudios ihre eigenen Online-Angebote wie beispielsweise Disney Plus, Paramount Plus und HBO Max. Apple TV hat mit „Coda“ den ersten Oscar prämierten Streaming-Film hervorgebracht und mit über 700 Millionen US-Dollar hat Amazon für ihre „Herr der Ringe“-Serie mehr Geld ausgegeben, als der bis dato teuerste Kino-Blockbuster „Fluch der Karibik 4 – Fremde Gezeiten“ mit einem Budget von 430 Millionen US-Dollar. Auch wenn die Produktionskosten astronomisch hoch waren, war es für Amazon dennoch lukrativ, da bereits innerhalb von 24 Stunden die ersten beiden Episoden der Fantasy-Serie von mehr als 25 Millionen Menschen angesehen wurden.

Bildnachweis: Matt Grace/Amazon Prime Video
Gerade auch, da Streaming-Abos monatlich etwa so viel kosten wie ein Kinobesuch, sind Netflix, Amazon und Co eine immer größere Konkurrenz für das Kino geworden. Ich habe bei Kim Ludolf Koch, dem Geschäftsführer der Cineplex-Kinos nachgefragt, was sich mit dem Streaming-Hype verändert hat:
„Wenn man von einem begrenzten Budget an Geld und Freizeit für Medienkonsum ausgeht, knabbern natürlich die Streaming-Dienste ganz erheblich daran. Schon vor der Pandemie hat das Kernpublikum der 20 bis 30-jährigen pro Monat etwa sechs Spielfilme und 30 Serienfolgen in Streaming-Diensten geschaut. Dieser Konsum hat während der Pandemie natürlich zugenommen. Nun sind Kunden von Netflix und Amazon häufig auch Fans vom Kino, aber es wird heute schon erkennbar, dass wir bei unseren Kunden weniger ein Reichweiten-Problem haben als eines der Intensität.
Das bedeutet, dass uns zwar immer noch Besucher fehlen, die seit Ende der Pandemie noch nicht zurückgekommen sind, aber der größere Teil des fehlenden Besuchs liegt bei den Kunden, die ihre Frequenz reduziert haben. Da der Wunsch nach attraktiven Filmen einerseits und das Vorhandensein solcher Produktionen bei den Streaming-Diensten andererseits nach wie vor hoch sind, hat sich die Zusammensetzung der genutzten Medien für den Filmkonsum zulasten des Kinos verändert.“
Wie steht es um das Kino nach Corona?
War der Streaming-Markt bereits vor dem Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie eine große Konkurrenz fürs Lichtspielhaus, so haben Lockdown und monatelange Schließung die Kinos in eine Existenzkrise getrieben. Wie Kim Ludolf Koch in einem Interview 2020 sagte, waren „Kinos am Rande des Nervenzusammenbruchs“. Nach den oft quälenden Jahren mit der Corona-Pandemie kehrte im vergangenen Jahr endlich immer mehr Normalität wieder ein. Kinos können wieder unter voller Auslastung spielen und viele Blockbuster kamen heraus. Gerade Filme wie „Top Gun: Maverick“ oder derzeit James Camerons „Avatar 2: The Way of Water“ zeigen, dass die Menschen wieder in die Kinos zurückkehren. Ich habe Koch gefragt, wie die Rückkehr der Besucher verlief und ob wieder eine Auslastung wie vor Pandemie erzielt werden kann:
„Nach dem Besuch der ersten fünf Wochen von `Avatar 2´ kann man sagen, dass das Publikum für solche Filme in vermutlich ganzem Umfang zurückgekehrt ist. Ob er die Besucherzahlen des ersten Teils erreicht, bleibt noch eine spannende Frage – schaffen könnte er es. Doch auch wenn er es nicht schafft, kann man sagen, dass er der erfolgreichste Film seit `Avatar – Aufbruch nach Pandora´ ist. Zählt man die großen Filme der Verleiher für das Jahr 2022 zusammen, fällt auf, dass es signifikant weniger sind als in einem normalen Jahr. Das heißt die gegenüber 2019 fehlenden rund 30 Prozent Besucher sind auch auf die geringere Zahl an starken Filmen zurückzuführen. Gleichzeitig hat sich durch eine Verkürzung der Fenster, also der Zeit, in denen ein Film exklusiv im Kino zu sehen ist und eine immer stärkere Konzentration auf Blockbuster eine niedrigere Besucherzahl für die meisten Filme ergeben.

© 2019 Paramount
Dies gilt insbesondere für solche Filme, die nicht zu den ganz großen Titeln gehören oder die ein eher älteres Publikum anziehen. Sowohl die internationalen Kinoketten in Amerika und im europäischen Ausland als auch die deutschen Branchenkenner gehen davon aus, dass die 80 Prozent des vorpandemischen Besuchs das neue Normalniveau werden. Bezogen auf die konkrete Besucherzahl bedeutet das rund 90 Millionen Kinobesucher als Zielgröße für 2023 und folgende. Im Jahr 2022 waren es rund 73 Millionen.“
Mein Interview mit Kim Ludolf Koch während der Corona-Pandemie:
Das bietet ein Kinobesuch 2023:
Doch auch wenn die Pandemie die Kinos sehr gebeutelt hat, teils in den Ruin getrieben hat, haben viele Betreiber die Zwangspause genutzt, um ihr Lichtspielhaus zu modernisieren, damit das Kinoerlebnis noch intensiver wird. Gerade „Avatar 2: The Way of Water“ ist recht exemplarisch für die einmaligen Möglichkeiten der großen Leinwand. Deshalb gibt es für Kim Ludolf Koch auch in Zukunft keine Alternative zum Kino: „Die Kinos haben ihre Schließung in Zeiten höchster Infektionsgefahr dazu genutzt, qualitativ in den Theaterpark zu investieren.
Das betrifft Sitzkomfort, Bequemlichkeit, technische Features und attraktive Foyers, die in sehr vielen Kinos verbessert worden sind. Das gemeinsame Ausgehen mit Freunden, die technischen Vorzüge eines dunklen Saals mit großer Leinwand und hervorragendem Ton tun ihr Übriges, Filme schlicht anders wirken zu lassen. Das sieht man vor allem auch bei den besonderen Schauwerten von `Avatar´, der als moderner Monumentalfilm visuelle Welten eröffnet, die es im Fernsehen oder auf einem kleinen Handymonitor schlicht nicht geben kann.“

©2022 20th Century Studios. All Rights Reserved.
„Möchte man also in die Geschichte konzentriert und intensiv eintauchen, gibt es keine Alternative zum Kino.“
Auch wenn Streaming-Anbieter heute in nie dagewesener Qualität produzieren, haben sich auch die Kinos weiterentwickelt und Kinobesuche können immer noch oder gerade heute magisch sein. Das neue Jahr 2023 wartet nun mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Filme auf, die Du unbedingt auf der großen Leinwand erleben solltest. Hier findest du eine große Übersicht zum Kinojahr 2023 mit Titeln, die rot im Kalender angestrichen werden sollten. Kim Ludolf Koch freut sich beispielsweise besonders auf das bereits mehrfach preisgekrönte Musikdrama „TÁR“ und Tom Cruise neue unmöglich überstehbare Mission „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“. Was steht bei Dir dieses Jahr auf der Watchlist im Kino?
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