Nele Kiper im Interview zum Erzgebirgskrimi „Die letzte Note“: „Ich würde gerne mal einen Mann spielen“
- Toni Schindele
- 17. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
In der neuen Folge des ZDF-Erzgebirgskrimis übernimmt Nele Kiper erstmals eine Rolle in der beliebten Samstagsreihe – und verkörpert eine Frau, die in der DDR mit verbotenen Konzerten politisch Stellung bezog.

Samstag, 20.15 Uhr: Kriminalfilme sind im deutschen Fernsehen zum festen Ritual geworden. Zwischen „Tatort“ und „Polizeiruf“ hat sich seit 2019 auch der Erzgebirgskrimi etabliert – ein Heimatableger, der klassische Ermittlungsarbeit mit Schauplatznähe verbindet und damit ein breites Publikum erreicht. Die zwölfte Episode mit dem Titel „Die letzte Note“ thematisiert den verdeckten Widerstand in der späten DDR und führt die Handlung zugleich in die Gegenwart des Erzgebirges. Für die Rückblenden des Films übernimmt Nele Kiper die Rolle der jungen Marianne Bach – einer Frau, die in den 1980er‑Jahren illegale Konzerte organisierte und dafür Repression riskierte.
Nele Kiper, aus Hannover stammend und sowohl im Theater als auch in Film‑ und Fernsehproduktionen erfahren, ist dem Fernsehpublikum bislang vor allem als Kommissarin in „Der gute Bulle“ oder Hotelchefin in „Hotel Heidelberg“ vertraut. Mit dem Erzgebirgskrimi fügt sie ihrer Filmografie nun ein weiteres regional verankertes Krimiformat hinzu. Im Interview berichtet Nele Kiper über ihre Auseinandersetzung mit dieser Figur, über die spezifische Atmosphäre des Erzgebirgskrimis und über persönliche Bezüge zur Geschichte.
Der Film Journalist: Was macht den Erzgebirgskrimi für Sie aus?
Nele Kiper: Der Erzgebirgskrimi lebt ganz besonders von seinem Lokalkolorit, einer besonderen Stimmung, die geprägt ist durch den Ort, an dem die Krimis entstehen, seine Geschichte und natürlich durch die Menschen, die dort leben. Auch die Mundart macht viel aus. Als gebürtige, hochdeutsch sprechende Hannoveranerin habe ich schon immer eine große Faszination für Dialekte verspürt und ihre Kraft, Menschen zu verbinden und ihnen ein Gefühl von Identität und Heimat zu geben. Der Erzgebirgskrimi kommt für mein Empfinden ganz besonders nahbar daher, er fühlt sich an wie direkt aus dem Leben gegriffen – das macht ihn so beliebt.
Der Film Journalist: Gibt es noch ein Krimi-Format, in dem Sie gerne einmal mitspielen würden?
Nele Kiper: Ich möchte Tatort-Kommissarin werden, eine ganz Schnoddrige. Ein weiblicher Schimanski.
Der Film Journalist: Chemnitz ist die Kulturhauptstadt 2025 und spielt in dieser Episode eine zentrale Rolle. Konnten Sie etwas von der Stadt und der Region während der Dreharbeiten erleben?
Nele Kiper: Während der Dreharbeiten bin ich sehr viel zu Fuß durch die Stadt gegangen, um ein Gefühl für den Ort zu bekommen. Besonders gut hat mir das Kaßberg-Viertel gefallen. Kurz nach den Dreharbeiten war ich zur Eröffnung des Schlingel-Festivals mit „Die Schule der magischen Tiere“ gleich ein weiteres Mal in Chemnitz zu Gast und war überrascht und begeistert von der kulturellen Vielfalt der Stadt. Der Erzgebirgskrimi trägt sicher dazu bei, Chemnitz und die Region bekannter zu machen.
Der Film Journalist: Was hat Sie an Ihrer Rolle Marianne Bach gereizt?
Nele Kiper: Ein Mensch, der in sich einen Widerborst trägt – das macht für mich den Reiz des Andersdenkenden aus. Was hat die Person dazu bewogen, gegen den Strom zuschwimmen? Was hat sie so stark gemacht, dass sie es sich traut, obwohl sie sich damit in Gefahr begibt? Das sind für mich die spannenden Fragen in der Figurenentwicklung. An dieser speziellen Rolle hat mich auch die Zeit fasziniert – man muss eine Figur immer als Produkt ihrer Zeit betrachten, und die DDR habe ich selbst nicht erlebt. Insofern hat es mir Spaß gemacht, zu recherchieren und zu versuchen, diesen Zeitgeist nachzuvollziehen. Herrlich waren auch Kostüme und Ausstattung – es fühlte sich wie eine Zeitreise an.
Der Film Journalist: Bei solchen Figuren stellt sich oft die Frage, wie man selbst in einer vergleichbaren Situation gehandelt hätte. Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht –insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Sie aus dem Westen stammen?
Nele Kiper: Oh ja. Immer wieder stelle ich mir solche Fragen, nicht nur hinsichtlich der Rolle, sondern auch ganz allgemein. Meine Urgroßeltern waren politisch engagiert und haben sich mit ihrer klaren Haltung gegen das Regime der 30er-Jahre in große Gefahr gebracht. Auch die Geschichten meiner Großväter, die beide entgegen ihrer Haltung im Krieg dienen mussten, haben mich sehr geprägt. Der eine ist desertiert, der andere hat sich ergeben und war lange in Gefangenschaft. Dieses Rückgrat hat mein Leben geprägt und auch ich werde immer für Freiheit, Demokratie und ein friedliches Miteinander einstehen.
Der Film Journalist: Sie sagten einmal, dass Sie bei der Rollenvergabe völlig uneitel seien und sich auch eine Rolle wünschen würden, die privat nicht viel mit Ihnen zu tun hätte. Wie würde eine solche Figur aussehen?
Nele Kiper: Ich würde gerne mal einen Mann spielen. Mich maximal weit aus meiner Komfortzonewagen und mit all meiner Durchlässigkeit versuchen, ein anderes Denken und Fühlen zukreieren. Das würde mich richtig herausfordern!
Der Film Journalist: Der neue Erzgebirgskrimi „Die letzte Note“ läuft am Samstag, den 26. April 2024, zur Prime-Time um 20:15 Uhr im ZDF. Deshalb zum Abschluss die Frage: Warum sollte man unbedingt einschalten?
Nele Kiper: Allein schon, um zu sehen, wie mein junger Kollege Christian [Ohngemach] sensationell Geige spielt, obwohl er es gar nicht konnte. Und wegen der Zeitreise in die 80er und des musikalischen Bezugs, wegen der grandiosen Besetzung, der tollen Regie von Tim Trageser und der atmosphärischen Bilder.
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