„Die größte Herausforderung war tatsächlich der Fuchs“, sagt Regisseur Mike Marzuk über die Dreharbeiten zu seinem neuen Kinofilm „Ein Mädchen namens Willow“. Was ihn am Family Entertainment fasziniert und warum es mit den „Fünf Freunde“-Filmen nicht mehr weiterging, erklärt er hier im Interview.

Regisseur Mike Marzuk ist seit Jahren eine feste Größe im deutschen Kinder- und Jugendfilm. Mit Filmen wie „Sommer“, „Rock It!“ und vor allem der erfolgreichen „Fünf Freunde“-Reihe hat er bewiesen, dass er ein Gespür für Abenteuer, Spannung und humorvolle Familienunterhaltung besitzt. Doch er hat sich nicht nur dem Family Entertainment verschrieben: Mit „Sarah Kohr – Irrlichter“ inszenierte er zuletzt einen düsteren Thriller mit erwachsenen Themen. Nun widmete er sich wieder einer Geschichte für die ganze Familie: „Ein Mädchen namens Willow“, basierend auf der beliebten Buchreihe von Sabine Bohlmann, erzählt von einem magischen Abenteuer in der Natur.
Der Film Journalist: Was reizt Dich am Family Entertainment – und wie unterscheidet sich die Arbeit daran von Filmen mit erwachsenem Cast und Themen?
Mike Marzuk: Was ich am Family Entertainment so besonders schätze, ist, dass es Familien

anspricht und sie hoffentlich ins Kino zieht – für einen gemeinsamen, schönen Abend. Ob „Fünf Freunde“ oder „Ein Mädchen namens Willow“ – im Kern geht es in diesen Filmen immer um Freundschaft und Familie. Das sind Werte, die einfach Freude machen. Als Vater von drei Kindern liegt mir das natürlich besonders am Herzen. Diese Geschichten zu erzählen, macht großen Spaß. Gleichzeitig war ein Projekt wie „Sarah Kohr“ für mich eine spannende Abwechslung. Doch im Kern bleibt die Herangehensweise immer ähnlich: Man hat ein Drehbuch und sucht nach dem emotionalen Kern der Geschichte. Interessanterweise gibt es sogar Parallelen zwischen Sarah Kohr und den Figuren aus unseren Kinderfilmen. Auch sie ist ein Einzelgängertyp – gar nicht so anders als manche unserer jungen Protagonisten.
Der Film Journalist: Die „Fünf Freunde“-Filme waren ein großer Erfolg, mit vier Hauptfilmen und einem Reboot im Jahr 2018. Damals wurde immer wieder betont, dass man gerne weitere Filme machen würde. Mit rund 4,52 Millionen Euro Einspielergebnis war der letzte Film überdurchschnittlich erfolgreich für einen europäischen Kinderfilm. Warum wurde die Reihe trotzdem nicht fortgesetzt?
Mike Marzuk: Tatsächlich hatten wir bereits ein weiteres Drehbuch für den neuen Cast der „Fünf

Freunde“ geschrieben. Wir waren allerdings auch verwöhnt von den ersten vier Filmen, die jeweils über eine Million Zuschauer ins Kino lockten. Das war immer unser Ziel – auch bei „Fünf Freunde und das Tal der Dinosaurier“. Doch solche Zahlen sind schwer zu erreichen. Natürlich hatten wir uns mehr erhofft als 500.000 Zuschauer. Diese Zahl reichte letztlich nicht aus, um weiterzumachen, denn die Produktionskosten für solche Filme sind hoch. Schweren Herzens haben wir das Projekt deshalb aufgegeben. Doch in der Schublade liegt noch ein Drehbuch für „Fünf Freunde 6“ – eine spannende, emotionale Geschichte, die die Freunde nach Thailand geführt hätte, in einen Tempel, in dem Diamanten lagern.
Wenn man so eine Geschichte geschrieben hat, hängt man natürlich daran. Wer weiß – vielleicht passiert es ja doch irgendwann. Die „Fünf Freunde“ sind eine starke Marke, auf die man hätte aufbauen können. Die Menschen kennen sie. Natürlich könnte man diese Geschichte auch mit neuen Figuren erzählen – nur dürfte sie dann nicht mehr „Fünf Freunde“ heißen. In der heutigen Zeit ist eine etablierte Marke jedoch ein enormer Vorteil. Sie gibt den Verleihern eine gewisse Sicherheit, dass sich ein Film an der Kinokasse rechnet.
Der Film Journalist: Dein neuer Film „Ein Mädchen namens Willow“ basiert auf der beliebten Buchreihe von Sabine Bohlmann. Wie bist Du zu diesem Projekt gekommen und was hat Dich an der Verfilmung besonders gereizt?
Mike Marzuk: Ich kannte Sabine Bohlmann zuvor noch nicht. Aber als ich dann auf „Ein Mädchen namens Willow“ angesprochen worden bin, habe ich plötzlich von allen Seiten diese Bücher bekommen, da ich ja auch drei Kinder habe. Da war das noch gar nicht spruchreif, dass wir es verfilmen. Aber dann wurde es von der Produktionsfirma SamFilm, mit denen ich auch die „Fünf Freunde“ gemacht habe, an mich herangetragen und Andi [Andreas Ulmke-Smeaton], der

Produzent dort, hat mir dieses Buch gegeben und gefragt, ob ich dazu Lust darauf hätte. Als ich es dann gelesen habe, hatte es eine ganz bestimmte Wirkung auf mich, weil dieses Mädchen, das mit der Natur verbunden ist, in einer relativ fröhlichen Geschichte lebt. Die Liebe zu diesem Wald und das Leben, das dort herrscht, haben mir schon im ersten Drehbuchentwurf sehr, sehr gut gefallen. Deshalb habe ich sofort zu SamFilm gesagt – ja, wenn ihr das machen wollt und ich dabei sein darf, bin ich gerne dabei. So hat das Ganze seinen Lauf genommen. Natürlich habe ich dann auch Sabine Bohlmann kennengelernt. Wir haben intensiv am Drehbuch gearbeitet – wie es eben immer der Fall ist. So entstand die Zusammenarbeit.
Der Film Journalist: Eine größere Änderung gegenüber der Buchvorlage ist die Verwandlung des Hexenbuchs in Grimmoor. Wie bist Du die Adaption also angegangen?
Mike Marzuk: In der ersten Drehbuchfassung, die ich gelesen hatte, war es tatsächlich noch nur ein Hexenbuch. In der Romanvorlage ist es ja ein schwebendes Buch, das Buchstaben ausspuckt und Sätze formt. Natürlich muss man die Buchvorlage respektieren, aber mir schien es in der filmischen Umsetzung schwierig, ein Kind mit etwas Fiktivem interagieren zu lassen, das beim Dreh physisch nicht vorhanden wäre. Im Prinzip hätte man wohl einen Tennisball als Platzhalter genutzt, mit dem sie sich unterhalten hätte. Zudem hätten die projizierten Buchstaben, die das Hexenbuch in den Raum wirft, den Zuschauer zum Lesen gezwungen, was wir als problematisch empfanden. Mein erster Impuls war daher, das Buch in eine lebendige Figur zu verwandeln – also in eine menschliche Gestalt. Sabine Bohlmann ist für solche Ideen unglaublich offen und kreativ, sie sprüht nur so vor Einfällen. Dann stellte sich die Frage: Wie bleibt das Buch als lebendiges Wesen dennoch ein Buch? Und vor allem – wie wird es filmisch überzeugend transformiert?
Da es ein aufwendiger Special Effect gewesen wäre, überlegten wir lange verschiedene

Verwandlungsarten. Wir dachten an Tinte, die auf den Boden tropft und daraus ein Mensch entsteht – und viele weitere Ideen. Letztlich entschieden wir uns für eine einfache Transition. Ein wichtiger Grund für diese Entscheidung war das großartige Kostümdesign von Monika Puttinger. Ihr Konzept für Grimmoor – ein Anzug aus Papier, kombiniert mit Ledereinband-Elementen – war so beeindruckend, dass die Frage, ob es sich noch um ein Buch handelt, irgendwann nicht mehr relevant war. Dadurch wurde die Figur auf eine ganz natürliche Weise glaubwürdig. Max Giermann, den wir schon früh für die Rolle angefragt hatten, war sofort begeistert und brachte viel Humor und eigene Ideen mit.
Seine Wortspiele und Sprüche entstanden oft spontan am Set und wurden zu einem wichtigen Teil der Figur. Es war eine riesige Freude, Grimmoor mit ihm zum Leben zu erwecken. Heute kann ich mir die Figur gar nicht mehr anders vorstellen. Während der gesamten Entwicklung – vom Drehbuch bis zu den Dreharbeiten – war uns wichtig, die DNA der Geschichte zu bewahren, die Sabine Bohlmann erschaffen hat. Ihre kreative Vision sollte erhalten bleiben, weshalb sie eng in den Prozess eingebunden war. Mir persönlich war es besonders wichtig, dass sie mit der Umsetzung zufrieden ist. Sie ist nicht nur unglaublich kreativ, sondern auch ein herzensguter Mensch – und das wollten wir unbedingt berücksichtigen.
Der Film Journalist: Die vier Hauptdarstellerinnen des Films sind noch jung und haben wenig Dreherfahrung. Wie hast Du mit ihnen gearbeitet und worauf hast Du im Casting-Prozess besonders geachtet?
Mike Marzuk: Es gab einen offiziellen Castingaufruf, doch unser erster Schritt bestand darin, die Rolle der Willow zu besetzen. Erst als wir sie gefunden hatten, casteten wir die übrigen Rollen um sie herum. Das hatte praktische Gründe: Ihr Alter und ihre Körpergröße bestimmten, welche Schauspielerinnen für die anderen Figuren in Frage kamen. Es wäre unpassend gewesen, eine Valentina mit 1,80 Meter neben eine 1,20 Meter große Willow zu stellen. Ein weiteres wichtiges Merkmal war die rote Haarfarbe, die zur DNA der Geschichte gehört. Zwar hätte man die Haare färben können, doch der natürliche Hauttyp musste dazu passen. Erstaunlicherweise stießen wir auf Willow schneller als erwartet: Die allererste Kandidatin, die wir zum Recall einluden, überzeugte sofort.
Üblicherweise erhalten wir 500 bis 800 Bewerbungen, aus denen wir eine Auswahl für das E-

Casting treffen. Die vielversprechendsten Kandidatinnen laden wir anschließend zu einem Live-Casting ein. Unsere Willow kam erst spät ins E-Casting, war aber die erste, die wir dann live sahen – und das mit durchschlagendem Erfolg. Bereits im E-Casting hatte Ava [Petsch] das hervorragend gemeistert, doch live war es noch beeindruckender. Ihr Talent war sofort spürbar – sie konnte auf Knopfdruck Emotionen abrufen, was sich besonders in der Szene mit Valentina auf dem Baum zeigte. Das Gefühl der Traurigkeit, das Willow in dieser Szene durchlebt, brachte sie ohne Zögern auf den Punkt. Ich war von Anfang an ein Fan von Ava – und nicht nur ich. Wir alle waren uns einig: Ihre melancholische Ausstrahlung war außergewöhnlich. Die Herausforderung bestand darin, sie auch in glücklichen Momenten glaubhaft zu inszenieren.
Doch beim Dreh stellte sich schnell heraus, dass sie ein fröhlicher Mensch ist, den man nur ermutigen musste, seine fröhliche Seite zu zeigen. Ava hatte eine starke Konkurrenz, insbesondere Lotta Herzog, eine ebenfalls hoch talentierte Schauspielerin, die sicher ihren Weg gehen wird. Doch in der Gruppenkonstellation war klar: Ava ist unsere Willow. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, testeten wir verschiedene Valentina-Kandidatinnen sowie weitere Kombinationen. Das Zusammenspiel der Kinder war entscheidend – nicht nur schauspielerisch, sondern auch persönlich. Sie mussten harmonieren, sich verstehen und wohlfühlen. Letztendlich fiel die Wahl auf eine Besetzung, die in jeder Hinsicht stimmig war. Natürlich waren alle Recall-Kandidatinnen talentiert und hatten ihre eigenen Qualitäten. Doch die Chemie zwischen den finalen vier Darstellerinnen war so überzeugend, dass die Entscheidung einstimmig getroffen wurde.
Der Film Journalist: Neben den jungen Darstellerinnen hast Du auch mit echten Tieren gedreht. Wie gestaltet sich so ein Dreh?
Mike Marzuk: Die größte Herausforderung war tatsächlich der Fuchs. Ein Hund? Kein Problem. Es gibt viele begabte Trainer und Hunde, mit denen sich gut arbeiten lässt. Aber ein Fuchs ist völlig anders. Er ist extrem hektisch, bleibt nie lange an einem Ort stehen – und das macht ihn unberechenbar. Der Fuchs, den wir für den Film hatten, sollte angeblich relativ gut trainiert sein und auch mal stillstehen. In der Praxis hat er das jedoch nicht getan. Wir mussten daher fast alles in Zeitlupe drehen. Das hat aber letztlich sogar gut funktioniert, weil es den Fuchs zu einer fast magischen Figur macht. In Slow Motion wirkt seine Bewegung behäbiger, was für den Film gar nicht schlecht war. Aber es war auch notwendig, denn länger als drei Sekunden ließ sich das Tier nicht an einem Ort halten.
Die Dreharbeiten liefen entsprechend chaotisch ab. Wir stellten den Fuchs dorthin, wo wir ihn

haben wollten und er war sofort wieder weg. Also haben wir einfach die Kameras platziert und so lange gedreht, bis wir brauchbares Material hatten. Zum Beispiel die Szene, in der der Fuchs das Mädchen vom Baum Waldtraud abholt: Wir haben 30 Minuten Material gefilmt, um am Ende vielleicht vier Sekunden verwenden zu können. Auf der Leinwand sieht es so aus, als wäre der Fuchs bestens trainiert – das ist er nicht. Füchse kann man nur sehr schwer dressieren. Der Tiertrainer lockte ihn ständig mit Futter. Er suchte, fand, fraß – und wir mussten die wenigen Momente einfangen, in denen er einfach nur dastand und schaute. Währenddessen standen rund 30 Leute hinter der Kamera und taten entweder etwas oder gar nichts, weil jede Ablenkung den Fuchs irritierte.
Interessanterweise war der zweite Drehtag mit dem Fuchs der beste. Ich dachte erst, dass das nichts wird. Aber es stellte sich heraus, dass er an diesem Tag ausnahmsweise gut funktionierte. Trotzdem bleibt es dabei: Man kann ein Wildtier nicht steuern. Man nimmt, was man bekommt, und muss damit arbeiten. Am Ende haben wir unzählige Stunden investiert, um insgesamt vielleicht anderthalb Minuten verwendbares Material zu bekommen. Die Schildkröte war übrigens viel einfacher – sie ist einfach durchs Gras gelaufen. Die Eule hingegen war auch unkompliziert: Man setzt sie irgendwo hin und sie bleibt dort. Wenn sie weggeflogen ist, hat man sie halt gesucht und wieder platziert. Das Eichhörnchen war jedoch digital und ich finde, es ist ziemlich gut geworden.
Uns war bewusst, dass die Arbeit mit Wildtieren schwierig wird. Deshalb haben wir sie im Drehbuch anders eingebunden als im Roman – eher als subtile Begleiter der Kinder, ohne zu viel Interaktion. Digitale Tiere wollten wir vermeiden. Letztlich haben wir nur das Eichhörnchen digital animiert, das Modell existiert jetzt und könnte auch für andere Filme verwendet werden. Aber einen Fuchs digital zu animieren? Das wäre extrem aufwendig und auch kostspielig. Eine Szene, in der das Mädchen den Fuchs streichelt, wie im Buch beschrieben? Unmöglich. Das geht nur digital – oder gar nicht. Denn sobald sich jemand dem Fuchs näherte, wurde er misstrauisch. Wir mussten viel mit Kameraeinstellungen tricksen, um ihn optimal einzufangen.
Ich saß am Monitor, beobachtete jede seiner Bewegungen. Sobald er in die richtige Richtung

blickte und loslief, hieß es – okay, lauf, Fuchs, lauf! Und unsere Darstellerin musste sofort reagieren – okay, Ava, los! Das hat Ava unglaublich gut gemacht. Insgesamt haben wir mit einem engen Postproduktions-Zeitplan gearbeitet. Gedreht wurde im Sommer, Kinostart ist am 27. Februar – das ist nicht viel Zeit. Es waren viele VFX-Firmen beteiligt, unter anderem eine komplette Unit für das Eichhörnchen. Am Ende wurde es das, was es jetzt ist – und ich finde, es kann sich sehen lassen.
Der Film Journalist: Jetzt startet „Ein Mädchen namens Willow“ in den Kinos – was wünscht Du Dir, dass Kinder und Eltern nach dem Kinobesuch aus dem Film mitnehmen?
Mike Marzuk: Wenn nur ein einziges Kind nach dem Film rausgeht und Lust bekommt, im Wald ein Stöckchen zu sammeln, dann haben wir unser Ziel erreicht – und das ist für mich etwas ganz Besonderes. Auch das Thema Freundschaft spielt eine große Rolle – und wie schwierig es manchmal sein kann, Freunde zu finden, egal in welchem Alter. Wenn Kinder oder auch Eltern den Film verlassen und sich gut unterhalten gefühlt haben, vielleicht mit einem schönen Gefühl im Bauch, dann haben wir viel richtig gemacht. Das war für mich schon immer das Besondere an diesen Filmen im Family Entertainment.
Natürlich sind wir alle auch recht aufgeregt, weil wir diesen Film als etwas Besonderes empfinden. Er hat seine dramaturgischen Höhepunkte, seine emotionalen Momente, aber insgesamt ist er ruhiger als andere Filme dieses Genres. Bei den „Fünf Freunden“ beispielsweise gibt es oft lebensbedrohliche Situationen, in denen Waffen eine Rolle spielen – diesmal nicht. Unsere Geschichte dreht sich darum, einen Wald zu retten, aber ohne klassische Bösewichte, die Gewalt einsetzen. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, berührt der Film emotional. Es ist eine Geschichte, die ohne viel Lärm auskommt, mit viel Herz und einer tiefen Liebe zur Natur. Wenn das Publikum das spürt, sich unterhalten fühlt und mit einem guten Gefühl nach Hause geht, dann war all die Arbeit das wert.
„Ein Mädchen namens Willow“ startet am 27. Februar 2025 in den Kinos.
Neugierig geworden? – sieh hier den Trailer:
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