top of page

Kritik zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Von stiller Frustration bis radikaler Eskalation

  • Autorenbild: Toni Schindele
    Toni Schindele
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Wie verwandelt man ein Gefühl in Bilder, ohne dabei Klischees zu bedienen? Constanze Klaue wagt sich mit ihrer Verfilmung des Romans „Mit der Faust in die Welt schlagen“ an ein Porträt einer Generation, deren Wut lange überhört wurde. Doch kann ihr Film dem Druck standhalten, die Wahrheit einer ganzen Region und Generation zu erzählen?


Kritik zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Von stiller Frustration bis radikaler Eskalation
Bildnachweis: © Across Nations Filmverleih

Manchmal genügt ein einzelner Ort, um das ganze Drama einer Zeit zu spiegeln. Lukas Rietzschel hat genau das geschafft, als er in seinem 2018 veröffentlichten Debütroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ die Lebenswege zweier Brüder in einem ostdeutschen Dorf nachzeichnet und dabei das Gefühl des Abgehängtseins, die allmähliche Radikalisierung und den Alltag einer ganzen Generation beleuchtet. Rietzschel, geboren 1994 in Räckelwitz, verwebte seine eigenen Erfahrungen aus der Nachwendezeit in Ostsachsen zu einem scharf gezeichneten Porträt, das von der Kritik gefeiert, mit Preisen ausgezeichnet und sogar auf die Bühne des Staatsschauspiels Dresden gebracht wurde.


Nun hat Regisseurin Constanze Klaue – die im Gegensatz zu Rietzschel noch in der DDR geboren wurde – den Stoff für die große Leinwand adaptiert. Ihre Verfilmung feierte auf der 75. Berlinale 2025 Premiere. Im Rahmen des Festivals verriet sie, bereits auf den ersten Seiten eine starke persönliche Verbindung zur Geschichte gespürt zu haben. Am 3. April 2025 startet „Mit der Faust in die Welt schlagen“ nun in den deutschen Kinos. Doch wie ist es Klaue gelungen, das literarische Abbild jener aufgewühlten Epoche in packende Filmbilder zu übersetzen?


Darum geht es:


Sachsen, 2006 – zwischen Plattenbauten, Arbeitslosigkeit und verblassten Wendeversprechen wachsen Philipp und Tobi in einer Region auf, in der Hoffnung längst Mangelware ist. Die Brüder erleben den Zerfall ihrer Familie und einen Alltag, der wenig Zukunftsperspektiven bietet. Der eine schweigt sich ins Abseits, der andere schreit seine Wut in die Welt. Bleibt bei all dem Frust noch Platz für einen Ausweg?


Die Rezension:


Mit ihrem Spielfilm „Mit der Faust in die Welt schlagen“ gelingt Regisseurin Constanze Klaue eine dichte Milieustudie, die das Lebensgefühl in der sächsischen Provinz um die Jahrtausendwende abbildet. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel, der teils eigene Erfahrungen verarbeitete, fängt der Film in unmittelbarer Nähe zu seinen jugendlichen Figuren an: Zwei Brüder, deren Alltag zwischen familiären Spannungen, Zukunftsängsten und einer ländlichen Tristesse schwankt, kämpfen darum, ihren Platz in einer veränderten Welt zu finden. Insbesondere zu Beginn entwickelt die Adaption eine kraftvolle Coming-of-Age-Dynamik, bei der wir beobachten können, wie das Umfeld die kindliche Unbeschwertheit zunehmend überwuchert.


Kritik zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Von stiller Frustration bis radikaler Eskalation
Bildnachweis: © Across Nations Filmverleih

Bemerkenswert ist vor allem der erzählerische Zugang, der weder historisch distanziert noch klischeehaft wirkt. Statt einer reinen Nachwendegeschichte in Schwarz-Weiß-Kontrasten zeichnet Klaue ein Bild, das im Mikrokosmos einer Familie und ihrer Nachbarschaft wurzelt. Schon in den ersten Szenen finden sich stimmige Alltagsfragmente. Für die Figuren selbst – insbesondere für die Brüder – ist das eine Kindheit, die nur bruchstückhaft erfassbar bleibt, da sie vieles nicht verstehen und manches nur halb erahnen können. Dieses Miterleben, gepaart mit dem Verzicht auf übertriebene Dramatisierung, verleiht den frühen Szenen eine besondere Intimität und verankert sie glaubwürdig im Milieu.


Dass die Regisseurin selbst aus Ostdeutschland stammt und die gesellschaftlichen Spannungen nach der Wiedervereinigung miterlebt hat, ist im atmosphärischen Detail spürbar. Die Kamera evoziert ein Gefühl von räumlicher Enge in einer Landschaft, die äußerlich weiter zu sein scheint, als es die Menschen in ihrem Alltag tatsächlich erleben. Jobverluste, Perspektivlosigkeit und der Wunsch nach Zugehörigkeit sind hier allgegenwärtig. Die junge Generation steht genau in diesem Spannungsfeld: Einerseits werden sie von den Umbrüchen ihrer Eltern geprägt, andererseits bleiben ihnen eigene Träume oft verschlossen. Dass die Unsicherheit der Nachwendezeit mit dem Gefühl eines Fremdwerdens im eigenen Land einhergeht, deutet der Film wiederholt an, ohne sich dabei jedoch in plakative Urteile zu verlieren.


Kritik zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Von stiller Frustration bis radikaler Eskalation
Bildnachweis: © Across Nations Filmverleih

Besonders in der zweiten Hälfte verlagert sich das Gewicht der Geschichte stärker auf die Konsequenzen dieser Frustration. Einer der Brüder rutscht zunehmend in rechtsradikale Kreise, findet dort eine trügerische Art von Gemeinschaft und Identität – zumindest mehr, als ihm die zerfallende Familie und das wirtschaftlich gebeutelte Umfeld bieten. Doch genau an diesem Punkt rückt der Film gelegentlich in eher konventionelle Muster, viele Motive werden teils erwartbar aneinandergereiht, wodurch die Erzählung etwas Vorhersehbares annimmt. Zwar trifft es die soziale Wirklichkeit in vielen Teilen Ostdeutschlands durchaus, doch hätte man sich in mancher Szene eine nuanciertere Auseinandersetzung mit den individuellen Lebenswegen gewünscht, anstatt lediglich bekannte Problemfelder abzudecken. In inszenatorischer Hinsicht beweist Constanze Klaue ein Gespür für leise Momente und unaufdringliche Metaphorik.


Einzelne Blicke oder Gesten der Figuren sagen oft mehr aus als die spärlichen Dialoge. Unterstrichen wird dies von pointierten musikalischen Akzenten, die gezielt eingesetzt werden, um emotionale Spannungen zu verstärken. Diese Stärken des Films führen allerdings auch dazu, dass einige Passagen in der zweiten Hälfte vergleichsweise schematisch wirken, wenn die Handlung sich plötzlich stärker auf das große Ganze – die gesellschaftspolitische Relevanz – konzentriert. Dadurch geht stellenweise das feine Gespür für die unspektakulären, alltäglichen Entwicklungen verloren, das die Anfangsphase ausgezeichnet hat. Ein markanter Wechsel zeigt sich, wenn die Handlung gegen Ende ins Jahr 2015 springt. Das ist der Zeitpunkt, an dem Deutschland durch die Aufnahme vieler Geflüchteter in den Fokus politischer Diskussionen geriet.


Kritik zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Von stiller Frustration bis radikaler Eskalation
Bildnachweis: © Across Nations Filmverleih

Im Film entsteht an dieser Stelle eine deutliche Verbindung zwischen der langjährigen Frustration der Protagonisten und der offen zutage tretenden Fremdenfeindlichkeit, die – so die narrative Andeutung – nicht nur als rassistisches Vorurteil zu begreifen ist, sondern oft auch eine Ventilfunktion für systemische Kritik übernimmt. Dadurch illustriert Klaue, dass die Entwicklung, die man anfangs fast unmerklich heranwachsen sah, längst ein destruktives Eigenleben führt. Das finale Bild ist verstörend und lässt das Publikum mit einem mulmigen Gefühl zurück, weil man nachvollziehen kann, wie wenig es braucht, damit solche Glutnester zu Flächenbränden werden. Die titelgebende Faust trifft das Publikum schließlich dort, wo es am meisten schmerzt: im Kern unserer Gegenwart, in der die Sehnsucht nach Anerkennung, die Ohnmacht gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen und der Drang nach einfachen Antworten bis heute nachwirken.


Fazit:


Constanze Klaue präsentiert kein Mitleidsstück oder moralisierendes Lehrstück, sondern beleuchtet die Gefühlswelt jener, die sich in gesellschaftlichen Umbrüchen nicht zurechtfinden. In seinen leisen, beobachtenden Momenten trifft „Mit der Faust in die Welt schlagen“ mit bedrückender Wucht, schwächelt jedoch, sobald Klaue zu sehr klassischen Erzählmustern folgt.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 3. April 2025 im Kino.


Wie hat Dir der Film gefallen? Teile Deine Meinung gerne in den Kommentaren!

Weitere Informationen zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“:

Genre: Drama

Laufzeit: 111 Minuten

Altersfreigabe: FSK 12


Regie: Constanze Klaue

Drehbuch: Constanze Klaue

Besetzung: Anton Franke, Camille Loup Moltzen, Anja Schneider und viele mehr ...


Trailer zu „Mit der Faust in die Welt schlagen“:


댓글


Abonniere jetzt den Newsletter

und sei immer aktuell informiert!

Danke für's Einreichen!

© 2023 by Make Some Noise.

Proudly created with Wix.com

bottom of page