Francis Ford Coppola kehrt mit „Megalopolis“ auf die große Kinoleinwand zurück – doch sein neuestes Werk sorgt nicht nur durch opulente Bilder und große Ideen für Aufsehen. Ist es Coppolas triumphales Opus magnum oder ein monumentales Missverständnis?
Francis Ford Coppola zählt zu den bedeutendsten Regisseuren der Filmgeschichte – ein Visionär, der mit Werken wie „Apocalypse Now“ und „Der Pate“ nicht nur cineastische Meilensteine schuf, sondern auch das Medium Film nachhaltig prägte. Seine Karriere ist gespickt mit Triumphen, aber ebenso mit Projekten, die in ihrer Entstehung von Rückschlägen und Herausforderungen begleitet wurden. Coppola ist bekannt dafür, Risiken einzugehen und sich kreativ nicht einschränken zu lassen. Mit „Megalopolis“, seinem seit Jahrzehnten geplanten Herzensprojekt, wagt er erneut den Sprung ins Ungewisse und präsentiert einen Film, der ebenso polarisierend wie ambitioniert ist.
Doch schon lange vor dem offiziellen Kinostart war „Megalopolis“ mehr als nur ein filmisches Ereignis – es wurde zu einem kontrovers diskutierten Projekt. Aufsehen erregten nicht nur die monumentalen Produktionskosten, die Coppola vollständig aus eigener Tasche finanzierte, sondern auch die Ereignisse hinter den Kulissen. Nach der Weltpremiere in Cannes überschatteten Vorwürfe die mediale Berichterstattung: Schauspielerinnen am Set gaben an, sich von Coppola belästigt gefühlt zu haben – ein schwerwiegender Vorwurf, den der Regisseur mittlerweile juristisch anzufechten versucht. Zusätzlich entbrannte eine Debatte um die Werbekampagne zu „Megalopolis“.
Nachdem der Film bei seiner Uraufführung in Cannes sowohl enthusiastische als auch desaströse Kritiken erhielt, entschied sich die PR-Abteilung zu einer fragwürdigen Maßnahme: Im finalen Trailer tauchten vermeintlich negative Zitate auf, die suggerierten, dass selbst Coppolas Meisterwerke der Vergangenheit zunächst verkannt worden seien. Der Schachzug ging nach hinten los – schnell stellte sich heraus, dass diese Zitate komplett erfunden waren.
Darum geht es:
In einer Welt, in der Macht, Geld und Gier die Menschheit unaufhaltsam in den Abgrund reißen, liegt New Rome im Zwielicht seines Niedergangs. Die einst glanzvolle Metropole, ein Symbol von Innovation und Größe, ist zu einem von Korruption durchsetzten Moloch verkommen. Zerfallende Paläste und bröckelnde Fassaden sind stumme Zeugen vergangener Pracht – und eines drohenden Untergangs. Doch Cäsar Catiling, ein visionärer Erfinder und gefeierter Künstler, wagt das Undenkbare: Er hat einen Plan, New Rome aus der Asche zu heben und es zu neuem Ruhm zu führen.
Sein größter Widersacher ist Bürgermeister Franklyn Cicero, ein Mann, der mit eiserner Faust regiert und um jeden Preis seine Macht sichern will. Fortschritt bedeutet Gefahr, Veränderung Verrat – vor allem, wenn seine eigene Tochter Julia sich ausgerechnet an Cäsars Seite stellt. Während Ideale und Intrigen kollidieren, entbrennt ein erbitterter Kampf, der nicht nur über die Zukunft New Romes entscheiden wird, sondern auch über die Herzen der Beteiligten.
Die Rezension:
Schon auf den ersten Blick fesselt „Megalopolis“ mit einem futuristischen, gleichzeitig jedoch von altrömischen Anklängen durchzogenen Schauplatz, der sich als New Rome präsentiert und doch unverkennbar die moderne Gesellschaft spiegelt. In dieser imposanten Metropole, deren einst strahlender Glanz durch Machtgier und Korruption bröckelt, tritt Francis Ford Coppola als visionärer Erzähler auf, um eine epische Geschichte über Umbruch, Intrigen und revolutionäre Ideen zu entfalten. Trotz der gewaltigen Ausmaße der Kulissen und der sichtbaren Mühe, die in die opulente Gestaltung geflossen ist, bleibt bereits im Auftakt spürbar, dass der Regisseur nicht zwingend an einer konventionellen Dramaturgie festhalten will.
Vielmehr versammelt er Elemente aus verschiedenen Epochen, Stilen und Erzähltraditionen, was zugleich fasziniert und gelegentlich irritiert. Während der Filmbeginn zunächst ein von dekadenten Feierlichkeiten und imposanten Bauten geprägtes Gesellschaftsbild vor Augen führt, sorgt die Figur des genialen Erfinders Cäsar Catilina für erste Spannungen. Dieser Visionär, Schöpfer eines rätselhaften und weitreichend diskutierten Stoffes namens Megalo, träumt von einer besseren Zukunft und scheint den Schlüssel zum Wiederaufstieg New Romes zu besitzen. Seine Ideale geraten jedoch rasch mit den Vorstellungen des altgedienten Bürgermeisters Franklyn Cicero aneinander, der mit allen Mitteln an seinem Status und an den bestehenden Hierarchien festhält.
Aus dieser Grundkonstellation entwickelt sich ein Machtspiel, das Themen wie Fortschritt, Tradition und den schmalen Grat zwischen Idealismus und Egoismus in den Mittelpunkt rückt. Coppola verknüpft dabei Inspirationen aus Geschichtsschreibung und Mythologie mit modernen Dystopie-Motiven, was „Megalopolis“ zu einem Hybrid macht, der sich nur schwer in eine herkömmliche Genrekategorie einsortieren lässt. Diese Mischung aus römischer Antike und futuristischem Stadtleben bringt eine eigene Ästhetik hervor, die bis hin zu Gladiatorenspielen, Wagenrennen und ausschweifenden Partys in elektronischer Clubatmosphäre reicht. Diese Vielfalt spricht zwar ein Publikum an, das sich nach ungewöhnlichen, künstlerisch ambitionierten Filmen sehnt, kann aber genauso leicht jene Zuschauende überfordern, die ein stringentes Handlungsgerüst oder eine klassische Sci-Fi-Erzählung erwarten.
Nicht selten zieht Coppola Vergleiche zwischen längst vergangenen Imperien und dem Amerika unserer Gegenwart – was durchaus zum Nachdenken anregt, aber auch den Eindruck erwecken kann, hier werden allzu viele gesellschaftspolitische Botschaften parallel ausgesendet. Besonders auffällig ist der eigenwillige Erzählrhythmus, bei dem ruhigere Momente abrupt von spektakulären Ausbrüchen abgelöst werden. Während in einer Szene bedeutungsschwere Dialoge über das Schicksal einer ganzen Stadt geführt werden, kann sich direkt im Anschluss eine surreale Szene entladen, in der selbst die Grenzen zwischen bühnenhafter Performance und real anmutendem Stadtbild verschwimmen.
Diese Uneinheitlichkeit mag einerseits zu den Höhenpunkten des Films zählen, indem sie visuell außergewöhnliche Momente schafft, andererseits stört sie oft die Kohärenz der Geschichte. Coppola scheint hier die Freiheit zu genießen, keinen konventionellen Pfaden folgen zu müssen, riskiert damit aber auch, dass einige Szenen wie künstlerische Egotrips wirken. Der umfangreiche Cast, von Adam Driver über Laurence Fishburne bis hin zu Jon Voight, stellt ein vielschichtiges Ensemble bereit, das die verschiedensten gesellschaftlichen Schichten der Megalopolis verkörpert.
Adam Driver als charismatischer Cäsar Catilina verleiht seiner Figur sowohl eine tragische Note als auch eine überzeugende Portion Größenwahn, was den Gegensatz zum machtorientierten Cicero, dargestellt von Giancarlo Esposito, nur weiter unterstreicht. Aubrey Plaza und Shia LaBeouf erweisen sich als impulsive Gegengewichte, die mit exzentrischen Darstellungen zusätzliche Ausrufezeichen setzen. Nathalie Emmanuel bleibt dagegen recht blass. Inhaltlich oszilliert das Werk zwischen epochalem Drama, philosophischer Auseinandersetzung über die Zukunft der Menschheit und beinahe grotesken Einlagen, die im Kontext eines Blockbusters eher unerwartet erscheinen mögen. Das kann als mutige Auflehnung gegen Mainstream-Geschmäcker gewertet werden, ist aber zugleich eine potenzielle Schwäche, weil dem Film stellenweise ein roter Faden fehlt und sich Themen ohne Vorwarnung vermischen.
Doch „Megalopolis“ ist auch ein Werk, das mehr durch seine Ambitionen und Ideenvielfalt begeistert als durch eine konsequent durchinszenierte Handlung. Technik und Optik bewegen sich dabei zwischen eindrucksvollen Panoramabildern und stellenweise eher theatralischen Studiomomenten, die das Geschehen in eine fast schon künstlich wirkende Rahmung rücken. Ebenso wechseln die Kostüme, Fahrzeuge und Kulissen zwischen nostalgischer Klassik und futuristisch-postmoderner Anmutung, was mal harmonisch zu den angesprochenen Themen passt, mal jedoch den Gesamteindruck der Welt von „Megalopolis“ zerstückelt.
Das Resultat ist ein audiovisuell breit gefächertes Spektrum, das seine Stärken in opulenten Kamerafahrten und teils surreal anmutenden Bildkompositionen findet, während es zugleich an erzählerischer Stringenz einbüßt. Wer sich rein auf diese optischen Schauwerte und das szenische Experiment einlassen kann, wird fesselnde Momente entdecken, die man in Hollywood-Kinoproduktionen nur selten sieht. Man kann „Megalopolis“ als bloßen Fehlschlag abtun oder sich darauf einlassen und erkennen, dass Coppolas vermutlich letzter Film weder grandios misslungen noch vollends brillant gelungen ist. Vielmehr wirkt er wie das persönliche Vermächtnis eines Regisseurs, der bereits in seinen früheren Arbeiten ein feines Gespür für unbequeme Themen bewies und nun im hohen Alter nochmals alle kreativen Schleusen öffnet.
Fazit:
Coppolas „Megalopolis“ erzählt von Untergangsvisionen, Intrigen und Liebe, ist jedoch streckenweise überladen, sodass faszinierende und bisweilen groteske Momente im Wechselspiel mit ermüdenden Szenen stehen. Letztlich ist es zwar sehr visionär, aber auch polarisierend: Der Film kann mitreißen oder enttäuschen – je nachdem, wie sehr man sich auf Coppolas kühne Ideen einlässt.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 26. September 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „Megalopolis“:
Genre: Drama, Science-Fiction
Produktionsjahr: 2023
Laufzeit: 139 Minuten
Altersfreigabe: FSK 16
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: Francis Ford Coppola
Besetzung: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel und viele mehr ...
Trailer zu „Megalopolis“:
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