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Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz

Sony bringt mit „Kraven the Hunter“ den vermutlich letzten Antihelden-Ableger aus dem Spider-Man-Universum (SSU) auf die große Leinwand und setzt dabei auf eine dunklere und brutalere Interpretation des Marvel-Universums. Doch wie brutal und auch gut ist der Film?


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Die Entwicklung des Films „Kraven the Hunter“ war ein langwieriger Prozess, der von mehreren Verzögerungen und Herausforderungen geprägt war. Ursprünglich plante Regisseur Sam Raimi, die Figur des Kraven in seinem vierten Spider-Man-Film einzuführen, bevor dieses Projekt zugunsten eines Neustarts mit The Amazing Spider-Man aufgegeben wurde. Im Dezember 2013 kündigte Sony Pictures Pläne an, ein gemeinsames Universum basierend auf den Marvel-Eigenschaften zu schaffen, die sie besaßen. Kraven wurde in diesem Zusammenhang in Betracht gezogen, und Regisseur Marc Webb äußerte Interesse daran, die Figur in zukünftigen Filmen zu sehen.


Im August 2018 wurde Richard Wenk beauftragt, ein Drehbuch für „Kraven the Hunter“ zu schreiben. Er plante, sich eng an die Comic-Vorlage zu halten und erwog, die Kraven's Last Hunt-Geschichte zu adaptieren. Im August 2020 traten Art Marcum und Matt Holloway dem Projekt als Drehbuchautoren bei, und J.C. Chandor begann Gespräche, um die Regie zu übernehmen. Im Mai 2021 wurde Chandor als Regisseur bestätigt, und Aaron Taylor-Johnson wurde für die Titelrolle verpflichtet. Die Dreharbeiten begannen im März 2022 in London und wurden im Juni desselben Jahres abgeschlossen. Trotz des zügigen Abschlusses der Produktion kam es zu mehreren Verschiebungen des Veröffentlichungstermins.


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Ursprünglich für den 13. Januar 2023 geplant, wurde der Film zunächst auf den 6. Oktober 2023 und später auf den 30. August 2024 verschoben. Diese Verzögerungen wurden durch verschiedene Faktoren verursacht, darunter die COVID-19-Pandemie und der Streik der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA im Jahr 2023. Schließlich kommt der Film nun am 12. Dezember 2024 endlich in die Kinos.


Darum geht es:


Sergei Kravinoff war nie ein gewöhnlicher Junge. In den weiten Wäldern Russlands fand er Trost, während sein Vater Nikolai ihm nur Kälte entgegenbrachte. Tiere wurden seine Verbündeten, und die Natur sein Schutzschild gegen die Härte der Welt. Jahre später ist Sergei zu Kraven the Hunter geworden. Doch als sein Halbbruder Dmitri plötzlich entführt wird, droht die Vergangenheit ihn einzuholen.


Die Rezension:


Wenn ein neuer Beitrag zum erweiterten Sony-Universum rund um die Spider-Man-Figuren ansteht, ist die Skepsis bei vielen groß, da die bisherigen Ausflüge in dieses filmische Terrain nur selten auf breite Begeisterung stießen. „Kraven The Hunter“ bildet da keine Ausnahme, denn schon die holprige Entstehungsgeschichte mit mehrfachen Verschiebungen und über zwei Jahren zwischen abgeschlossenen Hauptdreharbeiten und dem eigentlichen Kinostart sorgte bei vielen Beobachtern für Fragezeichen. Zwar gab es zuvor mit den „Venom“-Filmen Versuche, einzelne Bösewichte ins Rampenlicht zu rücken, doch überzeugend war das Ergebnis meist nicht. Insofern ging man nicht ohne Grund mit gemischten Erwartungen an „Kraven The Hunter“ heran, dem man immerhin eine andere Note prophezeite: höhere Altersfreigabe, ein namhafter Regisseur mit J. C. Chandor und die Aussicht, endlich einen waschechten Antihelden zu erleben.


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Auf dem Papier klang der Ansatz durchaus vielversprechend: Ein Film, der sich auf einen moralisch ambivalenten Charakter stützt und dem Publikum einen Blick auf die dunkle Seite des Marvel-Kosmos erlaubt, könnte für frischen Wind sorgen. Im Zentrum steht dieses Mal Sergei Kravinoff, gespielt von Aaron Taylor-Johnson, der mit übermenschlichen Sinnen und einer grausamen Familiengeschichte ausgestattet ist. Interessant wirkt die Figur auch deshalb, weil sie in den Comics vorwiegend als Schurke auftaucht und sich aus freien Stücken einer gefährlichen Großwildjagd verschrieben hat. Die filmische Adaption zeigt jedoch von Anfang an, dass Sony und Chandor lieber vorsichtig mit der Schurkenrolle umgehen und viel Energie darauf verwenden, ihren Protagonisten auf ein relativ heldenhaftes Fundament zu stellen. Dadurch lassen sich zwar klare Fronten aufbauen – Kraven gegen organisierte Verbrecher – allerdings geht ein gutes Stück der Ambivalenz verloren, die einen Antihelden auszeichnet.


Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Kontext Kravens Vater, der von Russell Crowe verkörpert wird und einen kompromisslosen, autoritären Charakter darstellt. Er vermittelt seinen Söhnen eine raue Weltanschauung, in der Stärke über allem steht und jede Empathie als Schwäche gilt. Hier wird rasch offensichtlich, dass die Vater-Sohn-Beziehung nicht nur den Handlungsrahmen bestimmt, sondern auch Ursprung für Sergeis innere Konflikte ist. Der Film lässt aber gleichzeitig kaum Raum für eine vertiefte Auseinandersetzung mit derartigen Motiven, da die Handlung recht schnell zu den actionlastigen Teilen übergeht. Pro-Seite dieser Familiengeschichte ist durchaus, dass sie vereinzelt dramatische Momente ermöglicht, bei denen man einen Hauch von Tragik wahrnimmt. Auf der Contra-Seite jedoch bleibt das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu grob gezeichnet und wirkt mitunter wie eine Abfolge klischeehafter Szenen, die kaum Tiefe erzeugen.


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Auffällig ist außerdem, dass „Kraven The Hunter“ ganz bewusst den Begriff „Antiheld“ strapaziert, diesen aber nur sehr oberflächlich ausfüllt. Statt moralischer Zwischentöne oder komplexer Motive erleben wir über lange Strecken einen Protagonisten, der recht eindeutig zwischen „richtig“ und „falsch“ unterscheidet. Selbst die Anwältin Calypso, die wichtige Informationen für Kraven liefert, scheint nie ernsthaft Zweifel an seinen Methoden zu haben, da das Drehbuch alles in Schwarz-Weiß-Kategorien ordnet und so kaum Grauzonen zulässt. An manchen Stellen wirkt der Film, als wolle er geradezu betonen, wie gerechtfertigt Kravens Taten seien, weil die von ihm gejagten Personen jede Gnade ohnehin nicht verdient hätten. Hier verlieren sich viele Chancen, den Charakter in einer kritischeren, interessanteren Weise darzustellen und damit ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu schaffen.


Wer im Vorfeld hoffte, mit „Kraven The Hunter“ eine schonungslos brutale Variante eines Marvel-Ablegers zu bekommen, erfährt bei genauerem Hinsehen schnell eine Ernüchterung. Zwar ist der Film offiziell für ein älteres Publikum freigegeben und zeigt hier und da deutlich explizitere Gewaltelemente als frühere Sony-SSU-Produktionen, doch entfalten diese Szenen kaum eine nachhaltige Wirkung. Das liegt zum einen daran, dass die Brutalität punktuell nur gestreut wird und oft wenig originell inszeniert ist. Zum anderen halten sich die Macher in bildgestalterischer Hinsicht auffallend zurück, sodass beispielsweise Verfolgungsjagden oder Kämpfe zwar kurzzeitig für Aufsehen sorgen, aber rasch wieder in genretypische Muster verfallen.


Eine echte Härte, wie sie manch einer vielleicht vom Trailer oder aus Vorabmeldungen erwartet hat, bleibt insgesamt aus. Noch stärker fällt jedoch auf, dass es dem Film an einem durchdachten dramaturgischen Konzept mangelt. Immer wieder werden Bösewichte kurz eingeführt, doch neben dem Söldner Foreigner bleibt den meisten kaum Raum, ihre Motivationen oder Charakterzüge glaubwürdig zu entfalten. Selbst Foreigner, der zumindest ein wenig Profil durch seine lethalen Fähigkeiten bekommt, reiht sich letzten Endes in ein bekanntes Muster von Gegenspielern ein.


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

In einigen Actionszenen versucht Regisseur Chandor zwar, an klassische Vorbilder wie „Rambo“ anzuknüpfen, indem Kraven mit Fallen und Hinterhalten ganze Söldnertrupps dezimiert, doch fehlt oft die kreative Variation, die solche Hommagen spannend machen würde. Vielmehr gleitet man durch austauschbare Auseinandersetzungen, in denen es weniger um Spannung als um routinierte Schauwerte geht. Hinsichtlich der visuellen Gestaltung ist „Kraven The Hunter“ ein zweischneidiges Schwert.


Einerseits gibt es Momente, in denen packende Stunts und praktisch inszenierte Sequenzen zum Vorschein kommen, beispielsweise eine Verfolgungsjagd in der Innenstadt von London, bei der Aaron Taylor-Johnson demonstriert, wie viel körperlichen Einsatz er in die Rolle einbringen kann. Andererseits sind die Effekte an vielen Stellen spürbar künstlich: Gerade die in CGI animierten Tiere wirken nicht annähernd so glaubwürdig, wie es die moderne Technik eigentlich ermöglichen sollte.


Trotz eines eher schwachen Drehbuchs gelingt es dem Ensemble, einzelne Szenen aus der Mittelmäßigkeit zu heben: Allen voran Aaron Taylor-Johnson verleiht seiner Rolle eine physische Präsenz. Russell Crowe entfaltet als tyrannischer Familienvater eine bedrohliche Aura, die den familiären Konflikt zuweilen glaubwürdig auflädt, auch wenn die Figur zu klischeehaft angelegt ist. Die Nebendarsteller werden dagegen oft durch eindimensionale Rollenbilder limitiert, sodass lediglich sporadische Lichtblicke aufblitzen und man bedauert, dass ihr Potenzial nicht umfassender ausgeschöpft wird.


Kritik zu „Kraven the Hunter“: Antiheld ohne Ambivalenz
Bildnachweis: © 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Im Finale, wo sich erneut digital verstärkte Kreaturen und Figuren auf dem Schlachtfeld begegnen, merkt man besonders deutlich, dass Sony hier eher auf bewährte, konventionelle Blockbuster-Methoden setzt, anstatt neue visuelle Akzente zu wagen. Insgesamt schwingt damit das Gefühl mit, dass „Kraven The Hunter“ zwar einerseits bemüht ist, einen eigenständigen Ton zu treffen – dank grimmiger Familiengeschichte, höherer Altersfreigabe und der Andeutung eines zerrissenen Protagonisten –, andererseits aber in vielen Belangen konventionelle Pfade beschreitet, die nur wenig Überraschungspotential bergen. Das Ensemble um Russell Crowe und Aaron Taylor-Johnson kann die erzählerischen Defizite nur bedingt kaschieren, zumal sich das Drehbuch oft auf eindimensionale Motive verlässt und viele Aspekte bloß anreißt.

Fazit:


„Kraven The Hunter“ bleibt trotz engagierter Besetzung und einzelner Highlights ein generisches Action-Spektakel ohne erzählerische Tiefe. Der Film scheitert daran, seinen Antihelden wirklich interessant zu machen, und enttäuscht visuell wie dramaturgisch.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 12. Dezember 2024 im Kino.


Weitere Informationen zu „Kraven The Hunter“:

Genre: Action, Fantasy

Produktionsjahr: 2023

Laufzeit: 127 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: J.C. Chandor

Drehbuch: Richard Wenk, Art Marcum

Besetzung: Aaron Taylor-Johnson, Russell Crowe, Ariana DeBose und viele mehr ...


Trailer zu „Kraven The Hunter“:


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