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Kritik zu „Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck vor Gericht

„Joker: Folie À Deux“ gehört zu den meisterwarteten Filmen des Jahres 2024. Doch wird der Film den Erwartungen gerecht – entpuppt er sich als grandioses Meisterwerk oder als krachender Flop?


Kritik zu „Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck vor Gericht
Bildnachweis: © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. TM & © DC

Todd Phillips' erster „Joker“-Film, der 2019 in die Kinos kam, erregte enormes Aufsehen und spielte weltweit über eine Milliarde US-Dollar ein. Mit zwei Oscar-Gewinnen und elf Nominierungen war er nicht nur an den Kinokassen erfolgreich, sondern erlangte auch Anerkennung bei den Filmpreisen, unter anderem gelangen zwei Oscar-Gewinne. Regisseur Todd Phillips, der den ersten Film mitschrieb, mitproduzierte und inszenierte, machte sich daraufhin an die Arbeit einer Fortsetzung. Wie bereits für den ersten Film schrieb er auch für den zweiten Film gemeinsam mit Scott Silver das Drehbuch.


Darum geht es:


Arthur Fleck, bekannt als der Joker, sitzt nach einer Welle der Gewalt im berüchtigten Arkham State Hospital, wo er auf seinen Prozess wartet. Seine Anwältin kämpft darum, ihn als unzurechnungsfähig darzustellen, während Arthur an einem Musikprogramm teilnimmt und die rebellische Lee kennenlernt. Gemeinsam flüchten sie in träumerische Melodien, doch Lee entfesselt Arthurs dunkles Alter Ego erneut.


Die Rezension:


Die Ankündigung einer Fortsetzung zu Todd Phillips' „Joker“ kam für viele überraschend und löste gleichermaßen Neugier und Skepsis aus. Der erste Film war ein in sich geschlossenes Psychogramm, das in seiner finalen Eskalation ein nahezu vollendetes Charakterportrait zeichnete. „Joker: Folie à Deux“ setzt genau an diesem Punkt an und erzählt deshalb eine völlig andere Geschichte, um letztlich doch nur den ersten Teil zu rekapitulieren und neu zu interpretieren. Weder die Geschichte noch der Protagonist bekommen neue Facetten – sie sind, wie man bereits befürchten konnte, auserzählt.


Kritik zu „Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck vor Gericht
Bildnachweis: © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. TM & © DC / Scott Garfield/™ & © DC Comics

Todd Phillips schlägt im zweiten Teil in der von ihm aufgebauten Welt und mit den bekannten Charakteren keine neuen Wege ein. Das einzig Erfrischende an dieser Fortsetzung ist die kontroverse Entscheidung, den Film als Musical aufzuziehen. Doch anders als in klassischen Musicals treiben die Gesangseinlagen die Handlung nicht zwingend voran, sondern dienen eher als emotionale Ausbrüche der Protagonisten. Diese surrealen Zwischenspiele stehen in scharfem Kontrast zur kargen, brutalen Realität von Arkham und geben uns den immersiven Eindruck, dass sich die Welt durch Arthurs Augen zunehmend verzerrt. Der neue Titel „Folie à Deux“ – eine Anspielung auf eine seltene psychische Störung, bei der zwei Menschen einen gemeinsamen Wahn entwickeln – gibt dabei die Richtung vor.


Zahlreiche der gewählten Songs, darunter Klassiker wie „That’s Life“ oder „Get Happy“, fügen sich stimmungsvoll in die trübsinnige Ästhetik des Films ein, treiben die Handlung jedoch kaum voran. Stattdessen fungieren sie häufig als eskapistische Momente, die eher zur Stagnation denn zur Entwicklung der Figuren beitragen. Es ist ein Spiel mit der Frage, was eigentlich real ist, was sich nur im Kopf abspielt und was man glauben kann oder nicht – eine Frage, die der Film visuell beeindruckend in seiner Bildsprache herausarbeitet. Kameramann Lawrence Sher setzt wie im ersten Teil auf eine kalte, retro-inspirierte Farbpalette, die durch ihre dominierenden Blautöne und scharfen Kontraste die beklemmende Atmosphäre verstärkt.


Kritik zu „Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck vor Gericht
Bildnachweis: © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. TM & © DC / Scott Garfield/™ & © DC Comics

Die musikalischen Einlagen sind aufwendig, wenn auch minimalistisch choreografiert und erinnern in ihrer Bildsprache an klassische Broadway-Inszenierungen, wodurch der Film eine visuelle Ambivalenz zwischen Psychodrama und surrealem Showbiz entwickelt. Aus dem Oscar-prämierten Soundtrack des ersten Teils von Hildur Guðnadóttir wird immer wieder dasselbe Joker-Thema aufgewärmt und bedeutungsschwanger über die Bilder gelegt. Auch hier scheint sich die Fortsetzung auf die stilistischen Pfade ihres Vorgängers zu verlassen. Das ist zwar musikalisch immer noch atmosphärisch sehr ansprechend, aber originell ist es sicher nicht, was schade ist, wenn man eine so talentierte Filmkomponistin wie Hildur Guðnadóttir erneut anheuert.


Während der erste Film durch seine stringente Charakterstudie bestach, bleibt die Fortsetzung oft sehr vage und verliert sich in musikalischen Fragmenten, die wenig zur Weiterentwicklung der Figuren beitragen. Die eigentliche Handlung setzt nahtlos dort an, wo der erste Teil endete: Arthur Fleck wartet in der Psychiatrie von Arkham auf seinen Prozess, nachdem er in der Öffentlichkeit einen TV-Moderator ermordete. Diese Haupthandlung skizziert Arthurs Haftalltag und die Entwicklung seiner Beziehung zu Lee Quinzel. Sie, eine psychiatrische Mitpatientin, wird nicht nur zur Komplizin, sondern zur Projektionsfläche seiner Sehnsüchte und verdrängten Begierden. Zudem geht es um die Frage, ob Arthur Fleck tatsächlich an einer gespaltenen Persönlichkeit leidet oder ob er seine psychischen Probleme nur simuliert. Eine Frage, die sich eigentlich nach dem ersten Teil nicht aufgedrängt hat, zumal die Entmystifizierung von Arthur Fleck in entweder Schwarz oder Weiß der Figur jeden Reiz nehmen würde.


Kritik zu „Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck vor Gericht
Bildnachweis: © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. TM & © DC / Scott Garfield/™ & © DC Comics

So gibt uns Todd Phillips letztlich auch keine richtige Antwort. Klar ist nur: Arthur Fleck muss nochmals die Schikanen des ersten Teils durchleben – nur dieses Mal gibt es keine Hoffnung. Das ist bitter und wie der Film bitterernst, ohne einen Hauch von ironischem Humor. Joaquin Phoenix geht zwar einmal mehr hinreißend in der Rolle des bittergrinsenden Clowns auf, und auch das Zusammenspiel mit Lady Gaga hat Chemie – sowohl in den musikalischen Zwischenepisoden als auch in den eigentlichen Dialogszenen, doch das bringt alles nichts, wenn der Film neben einer dünnen Handlung und allgemeingültigen Metaphern rein gar nichts zu sagen hat.


Fazit:


Todd Phillips' „Joker: Folie à Deux“ ist eine audiovisuell bestechende und ambitionierte, aber enttäuschend inhaltsarme Rekapitulation des vorangegangenen Films mit einem einmal mehr großartigen Joaquin Phoenix und einer nicht minder begeisternden Lady Gaga in einem starren Gerichtsdrama-Korsett, das zu selten Ausbrüche in den titelgebenden Wahnsinn erlaubt.


>>> STARTTERMIN: Ab dem 3. Oktober 2024 im Kino.


Weitere Informationen zu „Joker: Folie à Deux“:

Genre: Drama, Musical, Romanze

Produktionsjahr: 2023

Laufzeit: 138 Minuten

Altersfreigabe: FSK 16


Regie: Todd Phillips

Drehbuch: Todd Phillips, Scott Silver

Besetzung: Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson und viele mehr ...


Trailer zu „Joker: Folie à Deux“:


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