Familie kann anstrengend sein – besonders dann, wenn verschiedene Generationen aufeinandertreffen und alte Wunden offen liegen. Doch was passiert, wenn das Chaos nicht nur trennt, sondern auch verbindet? Darum geht es in „Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“.

Das Leben stellt uns oft vor Herausforderungen, denen wir am liebsten aus dem Weg gehen würden – besonders, wenn es um Familie, Krankheit und die Auseinandersetzung mit ungeliebten Wurzeln geht. Genau dort setzen Hanna Ladoul und Marco La Via an, zwei junge Stimmen des internationalen Autorenkinos, die schon mit ihrem Debüt „We the Coyotes“ aus dem Jahr 2018 ein sensibles Gespür für realitätsnahe und emotionale Geschichten bewiesen haben. Nun verarbeiten sie in „Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“ eine sehr persönliche Erfahrung Ladouls. An Weihnachten erhielt sie einen Anruf ihrer Mutter, die in Frankreich einen großen Tumor im Hals entdeckt hatte, während Ladoul sich in den USA befand. Zwar stellte sich der Befund als gutartig heraus, doch für Ladoul und ihren kreativen Partner Marco La Via war damit eine Idee geboren.
Darum geht es:
Drei Frauen, drei Generationen, ein maroder Hühnerhof: Charlie kehrt zurück, um ihre kranke Mutter zu unterstützen, doch mit dem Eintreffen der eigenwilligen Großmutter Solange eskaliert das Familienchaos. Als auch noch die Vogelgrippe zuschlägt, steht alles auf dem Spiel. Können sie den Hof – und sich selbst – retten?
Die Rezension:
Mit „Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“ inszeniert das französisch-amerikanische Regie-Duo Hanna Ladoul und Marco La Via eine in leichten Tönen erzählte, über drei Generationen hinweg konstruierte Geschichte weiblicher Selbstsuche, familiärer Verwerfungen und gemeinsamer Wiederannäherung. Diese Frauen, die jeweils einer anderen Generation angehören, finden sich aufgrund eines einschneidenden Ereignisses auf einer kleinen Farm in den USA zusammen und müssen sich dort gemeinsam diversen Herausforderungen stellen. Bereits diese Grundidee verweist auf eine an sich simple Versuchsanordnung: Jede Protagonistin steht symbolisch für eine unterschiedliche Ausprägung progressiver Frauenbilder, die in ihrem Zusammenwirken nicht nur aufeinandertreffen, sondern sich teilweise auch reiben.

Das Spannende dabei ist, wie sich einzelne Konfliktlinien, etwa die Frage nach traditionellen versus modernen Lebensentwürfen, auf engem Raum entfalten. Dennoch steht die Frage im Raum, ob die ein wenig schematische Rollenverteilung – die zielstrebig karriereorientierte Tochter Charlotte, die naturverbundene Aussteigerin Laura und die weltoffene Alt-Feministin Solange – nicht zu sehr einer vorgefertigten Dramaturgie folgt und somit manchmal die Glaubwürdigkeit einschränkt. Zentraler Bestandteil der Handlung ist das Bestreben aller drei Hauptfiguren, ihre jeweiligen Lebenswege miteinander zu versöhnen. Emotionale Verletzungen, alte Missverständnisse und das Gefühl, voneinander entfremdet zu sein, bilden den Motor für das, was sich über mehrere Jahreszeiten auf der Farm ereignet.
Unterstützt wird dieser Prozess von einem gut dosierten Humor, der vor allem in den Szenen mit den überall herumwuselnden Hühnern deutlich wird. So sorgt das Federvieh nicht nur für charmante Einblicke in den Alltag auf dem Hof, sondern auch für immer wieder komische Zwischenfälle, die dem oft ernsten Ton des Films eine leichtere Note verleihen. Gleichzeitig lässt sich erahnen, dass hinter den humorvollen Passagen ein zutiefst menschlicher Kern steckt: Die Protagonistinnen raufen sich inmitten der vermeintlich idyllischen Umgebung zusammen und erlernen, sich gegenseitig Raum für Verletzlichkeit, aber auch für Versöhnung und Zuneigung zu geben.
Interessant an „Funny Birds - Das Gelbe vom Ei“ ist die Umkehr vertrauter Rollenmuster: Statt dass die jüngste Generation als idealistische Rebellin auftritt, übernimmt in diesem Fall die Mutterfigur Laura die Rolle der Öko-Aktivistin, während Tochter Charlotte zu Beginn eher dem kapitalistischen Ideal nacheifert. Dies eröffnet einerseits Potenzial für eine spannende Auseinandersetzung mit Themen wie persönlicher Selbstverwirklichung, wirtschaftlichen Zwängen und sozialer Gerechtigkeit. Andererseits bleibt einiges im Vagen. Der Film skizziert zwar Konflikte, verankert sie aber oft nur oberflächlich in den Figuren, was dazu führt, dass potenziell prägnante Debatten – zum Beispiel über das Verhältnis von Alternativkultur und karriereorientierter Lebensplanung – nicht ausformuliert werden.

Abgesehen davon fällt auf, dass Männerfiguren nahezu keine Rolle spielen. Dieser Verzicht kann als bewusster Versuch gelesen werden, sich vollkommen auf die Perspektiven starker und eigenwilliger Frauen zu konzentrieren. In der Tat veranschaulicht „Funny Birds - Das Gelbe vom Ei“ auch differenziert, dass die Frauen zwar verschiedene Auffassungen von Feminismus und Unabhängigkeit vertreten, sich in wesentlichen Punkten aber aufeinander verlassen können. Die Besetzung der drei Hauptrollen mit Catherine Deneuve, Andrea Riseborough und Morgan Saylor trägt maßgeblich zur Wirkung des Films bei. Dabei nimmt Deneuve, in der Rolle einer hedonistischen und sich kaum an Konventionen bindenden Großmutter, naturgemäß den exzentrischsten Part ein: Sie interpretiert ihre Figur mit unbekümmerter Autorität und lockerer Präsenz.
Durch diesen spielerisch-subversiven Einsatz einer Diva-Persönlichkeit wird ihr Part schnell zum heimlichen Fixpunkt, während Tochter und Enkelin in ihrer Glaubwürdigkeit alltagsnäher wirken. Gerade Morgan Saylor überzeugt in einer Mischung aus jugendlichem Eifer und stiller Selbstzweifelhaftigkeit, die im Kontrast zu ihrer burschikosen Großmutter steht. Andrea Riseborough verleiht der ernsthafteren Laura eine sympathische Zerbrechlichkeit, ohne sie zu weinerlich erscheinen zu lassen. Das Zusammenspiel funktioniert gut, auch wenn sich die Rollen merklich auf altbekannte Muster stützen.

Das Regieduo Hanna Ladoul und Marco La Via verortet die Handlung offiziell in den ländlichen Gebieten Virginias. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich jedoch ein Großteil der Aufnahmen als in Frankreich und Belgien gedreht. Wer das tatsächliche Landschaftsbild der USA kennt, dürfte schnell bemerken, dass vieles hier nicht wirklich amerikanisch anmutet. Diese Diskrepanz wirft die Frage auf, weshalb man die Geschichte nicht ohnehin offiziell nach Europa verlegte. Ein triftiger Grund für die Kulisse des amerikanischen Südostens wird innerhalb des Films nicht deutlich. Dass Martin Scorsese als Produzent fungierte, bleibt eine interessante Randnotiz, die dem Film zusätzliche Aufmerksamkeit sichern dürfte. Inhaltlich spiegelt sich sein Einfluss jedoch allenfalls in der professionellen Umsetzung, nicht aber in einer besonderen Handschrift wider.
Man spürt vielmehr eine europäische Sensibilität, die mit liebevoll arrangierten Momenten und einer teils bodenständig, teils leicht nostalgisch anmutenden Inszenierung einhergeht. „Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“ schlägt den Weg eines klassischen Feel-Good-Dramas ein, das seine Zuschauenden in erster Linie mit Familienzusammenhalt und versöhnlicher Stimmung einnehmen möchte. Konflikte werden zwar benannt, aber nie so sehr zugespitzt, dass sie beim Publikum echtes Unbehagen auslösen könnten. Dies ist durchaus legitim, zumal die Grundidee eines solchen Films häufig in einer angenehmen Kombination aus Humor und leichter Melancholie liegt. Dass dabei manche Entwicklung von vornherein absehbar ist, gehört beinahe zum Genre. Dennoch überrascht der Film gelegentlich mit kleinen Wendungen, die das Finale nicht völlig trivial erscheinen lassen.

Gerade wenn man meint, den Ablauf der Geschichte bereits vollständig zu durchschauen, wartet „Funny Birds - Das Gelbe vom Ei“ mit Szenen auf, die die Beziehungsgeflechte zwischen den drei Generationen neu ordnen oder zumindest in einem anderen Licht zeigen. Dieser dramaturgische Ansatz lässt die Handlung zwar nie bahnbrechend wirken, macht sie aber bis zum Schluss kurzweilig. Wer hier eine inhaltlich tiefgehende Auseinandersetzung mit feministischen oder gesellschaftskritischen Ansprüchen erwartet, dürfte indes nur partiell auf seine Kosten kommen. Diese Themen werden zwar eingeflochten, bleiben aber eher Hintergrundrauschen im Feel-Good-Drama.
Fazit:
„Funny Birds – Das Gelbe vom Ei“ ist ein charmant inszeniertes Drei-Generationen-Drama. Die Konflikte bleiben oft oberflächlich, doch das Zusammenspiel der Hauptdarstellerinnen überzeugt mit Gefühl und Authentizität. Was an Tiefe fehlt, macht der Film mit Herz, Charme und liebevollen Details wett.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 27. März 2025 im Kino.
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Weitere Informationen zu „Funny Birds - Das Gelbe vom Ei“:
Genre: Tragikomödie
Laufzeit:Â 97 Minuten
Altersfreigabe:Â FSK 12
Regie: Hanna Ladoul und Marco La Via
Drehbuch: Hanna Ladoul und Marco La Via
Besetzung: Catherine Deneuve, Andrea Riseborough, Morgan Saylor und viele mehr ...
Trailer zu „Funny Birds - Das Gelbe vom Ei“: