Die Filme von Severin Fiala und Veronika Franz waren nie leicht verdaulich und haben stets den Finger unangenehm in die Wunde gelegt. Doch in ihrem neuen Spielfilm „Des Teufels Bad“ entfalten sie die bisher schwerst zu ertragende Geschichte.
Im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts kam es zum Phänomen „Suicide by Proxy“, bei dem Menschen, die verzweifelt den Tod suchten, gezielt Morde begingen, um nach ihrer Hinrichtung durch Beichte und Vergebung in den Himmel zu gelangen. Besonders Frauen griffen häufig zu dieser Tat, und oft wurden Kinder die Opfer; allein im deutschsprachigen Raum sind über 400 Fälle dokumentiert. Zu den bekannten Fällen gehört unter anderem Agnes Catherine Schickin. Ihr Schicksal wird nun exemplarisch von Severin Fiala und Veronika Franz beleuchtet, die nach ihren Horrorerfolgen mit diesem Werk ihren ersten Historienfilm präsentieren.
Darum geht es:
Oberösterreich, 1750: Die junge Agnes verlässt ihr Heimatdorf und zieht auf den abgelegenen Lizlfellner Hof, um den Bauern Wolf zu heiraten. Doch das neue Leben mit ihm und seiner tyrannischen Mutter Gänglin erdrückt sie. In der rauen Einsamkeit wächst der Druck, endlich schwanger zu werden, während ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen zunehmend ersticken.
Gefangen in einer Ehe ohne Ausweg, beginnt Agnes, sich immer mehr in den düsteren Gedanken an den toten Körper einer Hingerichteten zu verlieren, der als Mahnmal auf einem Hügel steht – eine Frau, die ihrem Schicksal entkommen ist. Verzweifelt und am Rand des Wahnsinns schmiedet Agnes einen Plan, der alles verändern könnte.
Die Rezension:
Kraftvoll inszeniert, verbindet der neue Film von Severin Fiala und Veronika Franz historische Genauigkeit mit einer unbarmherzigen, fast schon albtraumhaften Bildsprache. Bereits ihre früheren Filme wie „Goodnight Mommy“ und „The Lodge“ zeigten ihre Fähigkeit, subtilen Horror durch die Psyche ihrer Figuren entstehen zu lassen. Doch hier, in der düsteren Welt im Österreichs des 18. Jahrhunderts, scheinen sie diese Thematik auf eine neue Ebene zu heben und lassen das Publikum die beklemmende Enge dieser isolierten, religiös geprägten Dorfgemeinschaft hautnah spüren. Auf diesen Film muss man sich einlassen wollen, da er sensible und schwere Themen wie Selbstmord und Mord durchaus heftig behandelt.
Das Tempo des Films ist – wie die gesamte Inszenierung – gemächlich und bedacht, was dem Publikum Raum lässt, das bedrückende Umfeld und die tragische Geschichte von Agnes zu verarbeiten. So versteht man früh, dass es in diesem Film weniger um plakative Horrorelemente geht, sondern um das psychologische Drama und die stille, tiefgreifende Verzweiflung der Protagonistin, die im Würgegriff einer von Aberglauben und religiösem Fanatismus geprägten Gesellschaft steht. Auch wenn manche Zuschauende diese Erzählweise als zäh empfinden könnten, ist es genau diese Langsamkeit, die „Des Teufels Bad“ zu einem packenden Erlebnis macht, das im Gedächtnis bleibt.
Diese Geduld ermöglicht es, die Abgründe zu ergründen, die Agnes' Welt prägen, und die schreckliche Klarheit der gesellschaftlichen Zustände zu erfassen, die sie so sehr einengen. Der Begriff Teufelsbad selbst, der dem Film seinen Titel gibt, verweist auf eine historische Vorstellung, in der Menschen, die unter schwerer Melancholie litten, als vom Teufel besessen galten und ihre Geisteszustände als Strafe Gottes interpretiert wurden. In einer Zeit, in der psychische Krankheiten kaum verstanden und oft mit Besessenheit oder dämonischen Einflüssen gleichgesetzt wurden, war das „Teufelsbad“ eine Bezeichnung für jene, die durch emotionale oder mentale Krisen in Verzweiflung versanken.
Die Heilmittel, die angewandt wurden, reichten von Blutegeln bis hin zu Gebeten und brutalen körperlichen Bußritualen. In Agnes' Fall wird die „Heilung“ zu einer zermürbenden Mischung aus Ignoranz und Grausamkeit, die die tief verwurzelte Abwehrhaltung gegen jede Form von Schwäche oder Abweichung von der Norm offenbart. Ihre Depression wird als weibliche Schwäche abgetan, als eine Abnormität, die durch eine vermeintliche Nähe zum Teufel oder eine angeborene Sünde erklärt wird. Auch dies verweist auf die frauenfeindlichen Strukturen jener Zeit, die Frauen als Objekte des Gehorsams betrachteten, während Männer als die moralische Instanz galten.
„Des Teufels Bad“ versteht es, den Schrecken der menschlichen Abgründe nicht plakativ, sondern subtil und psychologisch aufwühlend darzustellen. Die fesselnde Inszenierung lässt erahnen, wie sich Frauen damals durch ein enges, übermächtiges System gezwungen sahen, ihr Leiden zu ertragen und selbst in die Hände grausamer Rituale und archaischer Heilmethoden zu begeben. Indem Franz und Fiala die psychische und emotionale Zerbrechlichkeit von Agnes herausstellen, wird die brutale Realität des Lebens zu jener Zeit schmerzhaft deutlich.
Fiala und Franz legen einen fast klinischen Fokus auf das Leiden und die psychische Zermürbung der Hauptfigur, ohne jedoch eine distanzierte Perspektive einzunehmen. Stattdessen schafft der Film eine Nähe, die die psychischen Qualen von Agnes fühlbar macht und das Leiden und die systematische Unterdrückung, die sie durch ihre Familie und die Dorfgemeinschaft erfährt, in den Mittelpunkt stellt. Hier wird der Film zu einem Spiegel, der uns die schrecklichen Auswirkungen von religiösem Eifer und einem engstirnigen Gesellschaftssystem vor Augen führt – eine Thematik, die bis heute nicht an Relevanz verloren hat.
Agnes wird von Anja Plaschg verkörpert, die vielen vor allem als Musikerin unter dem Namen Soap&Skin bekannt ist. Ursprünglich war sie von den Regisseuren lediglich für die Komposition der Filmmusik angefragt worden. Doch das Drehbuch beeindruckte Plaschg so sehr, dass sie entschied, sich intensiver am Projekt zu beteiligen – und übernahm schließlich die Hauptrolle. Ihre Darstellung ist subtil und unaufdringlich, doch in den Schlüsselmomenten, in denen ihre Figur an den Rand des Erträglichen gedrängt wird, entfaltet sie eine emotional mitreißende Kraft. In einer langen, beinahe quälenden Nahaufnahme im Finale zeigt sich das Ausmaß der inneren Zerrissenheit dieser Frau: Erleichterung, Verzweiflung und eine seltsame, bittere Freude spiegeln sich in ihrem Gesicht wider und veranschaulichen den Seelenkampf, der Agnes in dieser erdrückenden Welt täglich begleitet.
„Des Teufels Bad“ hebt sich nicht nur durch seine historische Akribie und den realitätsnahen Blick auf seelische Qualen ab, sondern auch durch seine ästhetisch anspruchsvolle Inszenierung. Martin Gschlacht erschafft mit seiner Kamera eine besnondere Bildsprache. Die Welt, in der sich Agnes bewegt, wirkt trostlos und hart: Die nebelverhangenen Wälder, die düsteren Räume, das ungeschönte Leben im Dorf. Grau-, Blau- und Erdtöne dominieren die Farbpalette und schaffen eine Atmosphäre, die eine unwirtliche und lebensfeindliche Welt widerspiegelt.
Es ist diese visuelle Schwere, die das Publikum gleich zu Beginn tief in Agnes' bedrückende Lebensrealität eintauchen lässt und die Charakterstudie, die Franz und Fiala mit Agnes entwerfen, geht tief: Agnes wird gezwungen, sich in ihre Rolle als Ehefrau und Mutter zu fügen, doch ihre inneren Kämpfe und die harte Realität dieser Erwartungen treiben sie zunehmend an den Rand des Wahnsinns. Die naturverbundene, aber bedrohliche Kulisse der Wälder und Bauernhöfe in Oberösterreich des Jahres 1750 wird durch das beeindruckende Produktionsdesign und die sorgfältig gestalteten Kostüme zum Leben erweckt und lässt das Publikum in die beklemmende Welt Agnes' eintauchen.
Fazit:
„Des Teufels Bad“ ist ein intensiver, psychologisch aufwühlender Horror-Thriller. Franz und Fiala schaffen eine beklemmende Atmosphäre, die tief berührt und die zerstörerischen Folgen eines engstirnigen Gesellschaftssystems auf erschütternde Weise spürbar macht.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 14. November 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „Des Teufels Bad“:
Genre: Thriller, Horror, Historiendrama
Produktionsjahr: 2023
Laufzeit: 121 Minuten
Altersfreigabe: FSK 16
Regie: Veronika Franz und Severin Fiala
Drehbuch: Veronika Franz und Severin Fiala
Besetzung: Anja Plaschg, David Scheid, Maria Hofstätter und viele mehr ...
Trailer zu „Des Teufels Bad“:
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