Kaum jemand verkörpert Exzess, Hingabe und gebrochene Seele so sehr wie Amy Winehouse, deren Stimme einst eine ganze Generation in den Bann zog. Nun bringt Regisseurin Sam Taylor-Johnson mit „Back to Black“ das erste Spielfilm-Biopic über die legendäre Sängerin auf die große Leinwand.
Schon lange gab es Ideen, ein Spielfilm-Biopic über Amy Winehouse zu drehen, doch erst nach jahrelangen Anstrengungen kam es 2022 zum entscheidenden Durchbruch. Unter der Regie von Sam Taylor-Johnson, bekannt durch „Fifty Shades of Grey“, und mit einem Drehbuch von Matt Greenhalgh, der bereits mit Taylor-Johnson am Musical-Drama „Nowhere Boy“ zusammenarbeitete, entstand tatsächlich ein Film über jene stilprägende Sängerin, die bereits mit 27 Jahren verstarb. Der Titel ihres zweiten Studioalbums „Back to Black“, das sie 2006 herausbrachte, ist auch der Name des Films.
In ihrer kurzen, aber erfolgreichen achtjährigen Karriere verkaufte Amy Winehouse über 33 Millionen Tonträger und gewann sechs Grammy Awards. Hits wie „Rehab“ und „You Know I'm No Good“ prägten eine Ära. Am 23. Juli 2011 verstarb sie an einer Alkoholvergiftung. Später konnte in ihrem Blut ein Promillewert von 4,16 nachgewiesen werden. Nur etwa einen Monat zuvor stand der Auftakt einer Europa-Tournee in Belgrad an. Direkt beim ersten Konzert betrat sie eine halbe Stunde zu spät und alkoholisiert die Bühne.
Sie soll sich kaum auf den Beinen gehalten haben und kaum singen können. Vielmehr soll sie lallend über die Bühne gewankt sein. Die Tournee wurde daraufhin abgesetzt – es war der letzte Auftritt von Amy Winehouse. Nach Asif Kapadias gefeiertem Dokumentarfilm „Amy“ aus dem Jahr 2015, der durch Archivmaterial und Interviews ein intimes Porträt der Sängerin zeichnete, das vor allem auch kein gutes Bild ihres Vaters zeigte und offenlegte, wie sie von ihrem Umfeld ausgebeutet und in die Drogenwelt gezogen wurde, kommt nun erstmals eine Spielfilm-Aufarbeitung heraus.
Darum geht es:
London, Anfang der 2000er: Die junge Amy erobert mit ihrer unverwechselbaren Stimme und ihrer unvergleichlichen Ausstrahlung die Clubs von Camden. Im Rausch des Erfolgs wird sie rasch von Agenten umgarnt und katapultiert sich in ungeahnte Höhen. Doch je heller ihr Stern leuchtet, desto dunkler werden die Schatten, die sie verfolgen – und der kometenhafte Aufstieg birgt einen hohen Preis.
Die Rezension:
Über eines lässt sich bei „Back to Black“ aber wohl kaum streiten: Die Wahl von Marisa Abela für die Hauptrolle erweist sich als einer der größten Stärken des Films. Abela gelingt es, die ikonischen Eigenheiten von Winehouse mit erstaunlicher Präzision und Hingabe nachzuahmen, ohne dabei in eine bloße Imitation abzudriften. Ebenso sind die von ihr vollständig selbst eingesungenen Lieder teilweise beeindruckend nah an den Originalsongs. Dennoch wird die Stimme von Winehouse in ihrer Originalform kaum erreicht – eine Tatsache, die wohl weniger der Leistung Abelas als vielmehr der unvergleichlichen Einzigartigkeit Winehouses geschuldet ist.
Ob es trotz der unbestreitbar guten Cover von Abela nicht besser gewesen wäre, die Songs doch mit der echten Stimme von Winehouse zu unterlegen, lässt sich hingegen durchaus diskutieren – ähnlich wie es beim Biopic über Bob Marley in der Postproduktion entschieden wurde, als man sich letztlich für die Originalstimme entschied. Besser aber als jener Film, der recht generisch die Stationen des legendären Reggae-Sängers abwanderte, hat Sam Taylor-Johnson ihre Aufarbeitung der Biografie einer cleveren Struktur unterzogen, indem sie die zahlreichen Tattoos der Künstlerin in gewisser Weise als Kapitel nutzt. Jedes neue Motiv, das sich Winehouse stechen lässt, steht für eine neue Phase in ihrem Leben – von ihren ersten Auftritten in kleinen Clubs bis hin zu den kräftezehrenden Jahren an der Spitze der Charts.
Diese visuelle Metapher wirkt überzeugend, da sie die Selbstinszenierung und Selbsterneuerung der Künstlerin unterstreicht. Winehouse lebte ihre Gefühle nach außen und ihre Haut diente als Leinwand für ihre inneren Kämpfe. „Back to Black“ macht dies deutlich und verknüpft geschickt die emotionale Intensität ihrer Songs mit den Stationen ihres Lebens, wodurch die Musik und das Leben der Künstlerin eine recht homogene Verbindung in diesem Biopic finden. Doch obwohl sich der Film um eine differenzierte Darstellung bemüht, bleibt er in manchen Bereichen auffallend oberflächlich. Gerade die dunklen Kapitel von Winehouses Leben – der eskalierende Drogenmissbrauch, die destruktiven Beziehungen und die schrittweise psychische Zerrüttung – werden sehr sachte angedeutet.
Heroin, eine der entscheidenden Substanzen, die zu ihrem Verfall beitrugen, wird im Film kaum explizit thematisiert. Diese Zurückhaltung mag dem Wunsch geschuldet sein, das Publikum nicht zu schockieren oder Winehouses Vermächtnis nicht zu beschädigen, doch sie führt dazu, dass der Film an emotionaler Wucht verliert. Statt tief in die Abgründe abzutauchen, bleibt „Back to Black“ in vielen Momenten an der Oberfläche. Ein besonders problematischer Aspekt ist die Darstellung von Mitch Winehouse, Amys Vater. Im Film wird er als wohlmeinender, liebevoller Begleiter gezeigt, der stets für seine Tochter da ist. Diese Interpretation steht in starkem Kontrast zu den Berichten und Interviews, die ihn als eine der Schüsselfiguren in Winehouses Niedergang beschreiben.
Mitch Winehouse soll seine Tochter wiederholt zu Auftritten gedrängt haben, selbst als sie sich in einem kritischen Zustand befand. In „Back to Black“ wird diese problematische Dynamik weitgehend ausgeklammert, was die Glaubwürdigkeit des Films schwächt und den Eindruck erweckt, als wäre die Figur des Vaters bewusst weichgezeichnet worden. Auch Blake Fielder-Civil, Winehouses berüchtigter Ex-Mann, wird in einer Weise dargestellt, die sein Verhalten stark relativiert. Während er in der Öffentlichkeit oft als der Mann wahrgenommen wurde, der Winehouse in die Drogenszene einführte, zeigt ihn der Film als charmanten, wenn auch leichtsinnigen Partner. Ihre toxische Beziehung wird zwar angedeutet, jedoch nie in der Tiefe ergründet, die es benötigen würde, um das Ausmaß ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu begreifen.
Dies führt dazu, dass zentrale Konflikte in Winehouses Leben stark entschärft werden. Die visuelle Umsetzung von „Back to Black“ ist jedoch zweifellos gelungen. Die Straßen von Camden, die kleinen Bars und Musikclubs, in denen Winehouse auftrat, werden liebevoll und detailreich rekonstruiert. Die Atmosphäre der Londoner Musikszene der frühen 2000er Jahre wird mit einem authentischen Blick eingefangen und schafft eine glaubwürdige Bühne für Amys Aufstieg. Doch diese visuelle Präzision steht oft im Kontrast zur inhaltlichen Zurückhaltung. Während die Kulisse das Publikum in Amys Welt eintauchen lässt, verpasst es der Film, diese Eindrücke mit der gleichen Tiefe auf narrativer Ebene zu begleiten.
Fazit:
„Back to Black“ ist ein visuell ansprechendes und musikalisch stellenweise mitreißendes Biopic, das jedoch nicht die Tiefe erreicht, die Amy Winehouses Geschichte verdient hätte. Der Film bietet für Fans der Sängerin zweifellos viele bewegende Momente, doch wer eine weniger geschönte Darstellung sucht, als sie die hier merklich von der Amy Winehouse Foundation beeinflusste Version bietet, sollte lieber auf den Dokumentarfilm „Amy“ zurückgreifen.
>>> STARTTERMIN: Ab dem 11. April 2024 im Kino.
Weitere Informationen zu „Back to Black“:
Genre: Biopic, Drama
Produktionsjahr: 2023
Laufzeit: 123 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Regie: Sam Taylor-Johnson
Drehbuch: Matt Greenhalgh
Besetzung: Marisa Abela, Jack O'Connell, Eddie Marsan und viele mehr ...
Trailer zu „Back to Black“:
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