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Kritik zu „Arielle, die Meerjungfrau“: Zauberhafter Disney-Kitsch

Aktualisiert: 29. Sept. 2023

Mit der nächsten Live-Action-Adaption hat Disney erneut einen Zeichentrickklassiker neu verfilmt und Arielle, die kleine Meerjungfrau, zurück auf die große Leinwand gebracht. Doch ist es eine gelungene Neuverfilmung oder doch ein weiteres seelenloses Remake, das besser auf dem hauseigenen Streaming-Dienst Disney Plus hätte veröffentlicht werden können?


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

In den letzten Jahren hat Disney eine Vielzahl beliebter Zeichentrickfilme in Live-Action-Remakes verwandelt. Während einige Neuauflagen an den Kinokassen gigantische Erfolge feierten - wie „Der König der Löwen“, der über 1,6 Milliarden US-Dollar einspielte, oder „Die Schöne und das Biest“, das ebenfalls über eine Milliarde einspielte - scheinen diese Zeiten nun vorbei. Die letzten Remakes wie „Peter Pan & Wendy“ und „Pinocchio“ wurden trotz namhafter Besetzung nur noch auf dem hauseigenen Streaming-Dienst Disney Plus veröffentlicht. Alles deutete darauf hin, dass das Publikum nicht mehr bereit ist, für jedes Remake ins Kino zu strömen. Jetzt gibt es aber wieder einen neuen Live-Action-Film auf der großen Leinwand.

Auch wenn die Neuauflagen trotz des kommerziellen Erfolgs keinen allzu guten Ruf genießen, war gerade das große „Arielle“-Remake im Vorfeld der Veröffentlichung einer der größten Kontroversen im Netz und löste absurde Diskussionen über „Blackwashing“-Vorwürfe aus. Seitdem Disney bekanntgab, dass die afroamerikanische Schauspielerin und Sängerin Halle Bailey in der Realverfilmung in die Hauptrolle der jungen Meerjungfrau schlüpfen wird, hat der Film bereits lange vor der Veröffentlichung für viel negativen Aufruhr gesorgt. Die 23-jährige Hauptdarstellerin erhielt boshafte Hassnachrichten und wurde im Netz rassistisch beleidigt und stand in mitten einer bedenklichen Cyber-Hasswelle.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Wie das Dislike-Verhältnis der Trailer zeigte, gibt es immer noch viele, die Neuerungen in der Darstellung einer fiktiven Märchenfigur für unmöglich erachten und eine schwarze Meerjungfrau einfach nicht akzeptieren wollen. Auch wenn nicht vergessen werden sollte, dass mit der Veröffentlichung der Hashtag #NotMyArielle viral ging, sollte die Frage nach Hautfarbe in der Bewertung des Films keinerlei Rolle spielen. Widmen wir uns deshalb wieder dem eigentlichen Film zu, der sich nicht, wie befürchtet, als nächste seelenlose Live-Action-Neuverfilmung entpuppt.


Darum geht es:


In den Tiefen des Ozeans herrscht König Triton über das Unterwasserreich, und seine jüngste Tochter Arielle sehnt sich nach der Freiheit der Welt über den Wellen. Sie ist anders als die anderen Meerjungfrauen, wild und abenteuerlustig. Als sie eines Tages die Oberfläche besucht, trifft sie auf den faszinierenden Prinzen Erik und verliebt sich Hals über Kopf. Doch die Gesetze der Meereswelt verbieten es, dass sich Meerjungfrauen mit Menschen einlassen. Arielle kann ihrem Herzen nicht widerstehen und beschließt, ihrem Verlangen zu folgen.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an die böse Meerhexe Ursula und schließt einen gefährlichen Pakt. Ursula gibt ihr die Möglichkeit, das Leben an Land zu erleben, aber dieser Pakt bringt nicht nur Arielles eigenes Leben in Gefahr, sondern auch die Krone ihres Vaters …


Die Rezension:


Vor vielen Jahren, im Jahr 1989, eroberte der Zeichentrickklassiker „Die kleine Meerjungfrau“ die Herzen der Zuschauer. Ein zeitloser Klassiker aus dem Hause Disney, der heute für viele als die ultimative Disney-Geschichte gilt und den Beginn einer goldenen Ära der Zeichentrickfilme einläutete, die einige der größten Animationsklassiker aller Zeiten hervorbrachte. Mit seiner bezaubernden Handlung und den mitreißenden Songs eroberte „Arielle, die Meerjungfrau“ die Kinoleinwände und wurde zu einem Meilenstein des Mäusekonzerns.


Nun wurde der Zeichentrickfilm als Live-Action-Adaption neu verfilmt, doch auch wenn das Remake im Großen und Ganzen dieselbe Geschichte erzählt, erstreckt sich die Neuauflage von Regisseur Rob Marshall über eine Laufzeit von 136 Minuten, ist fast eine Stunde länger als der Film aus dem Jahr 1989, der lediglich 83 Minuten dauerte. Auf den ersten Blick ist das etwas verwunderlich, da sich die Macher der Neuauflage von „Arielle, die Meerjungfrau“ in weiten Teilen auf die alte Geschichte verließen, die vor mehr als drei Jahrzehnten geschaffen wurde.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


So lässt das Remake auch wenig Raum für neue Entdeckungen, die Macher wollten in erster Linie den Zauber und die Magie des Originals bewahren und sie einer neuen Generation näher bringen. Daher lebt die Neuauflage auch davon, dass bekannte Handlungselemente und ikonische Szenen in Live-Action-Version neu inszeniert wurden. Die vertrauten Charaktere, die mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten und unvergesslichen Liedern die Herzen der Zuschauer eroberten, bleiben weitgehend unverändert – wenngleich die fotorealistisch animierten Cartoon-Charaktere etwas an Charme verlieren, da so die ausdrucksstarke Mimik fehlt, die insbesondere die Krabbe Sebastian mit den riesigen Augen ausmachte.


Während Realverfilmungen wie „Das Dschungelbuch“ oder „Der König der Löwen“ noch recht gut gelungen sind, geht hier bei der fotorealistischen Animation der Cartoon-Charaktere doch einiges verloren. Die Einschränkungen in Bezug auf die Mimik sind einfach zu groß. Zwar können die munteren Sprecherinnen und Sprecher sowie flotte Dialoge einiges ausgleichen, doch gerade bei den Nebencharakteren stellt sich die Frage, ob diese Geschichte überhaupt als Live-Action-Version funktionieren kann oder ob man es lieber beim Zeichentrickfilm hätte belassen sollen.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


Auch die Unterwasserwelten können den zauberhaften Charakter des Zeichentrickfilms leider nicht einfangen. Trotz einiger beeindruckender fotorealistischer Aufnahmen des Ozeans und seiner Bewohner, wie einem atemberaubenden Tauchgang zwischen den lebendigen Korallen, mangelt es dieser Welt an märchenhafter Pracht. Gerade in der Einführung gibt es keine faszinierend fremde und exotisch andere Welt, sondern eher etwas Vertrautes, das wir bereits aus so mancher Natur-Dokumentation kennen.


Obwohl die Wasseranimation nicht wirklich schlecht aussieht, fehlt den aufwendig gestalteten Unterwasseraufnahmen die überzeugende Kraft. Besonders im Vergleich zu James Camerons „Avatar: The Way of Water“, der die Zuschauer wahrlich in den Ozean hineinzieht und eine magische Unterwasserwelt präsentiert, wirkt in „Arielle, die Meerjungfrau“ alles unter dem Meeresspiegel überraschend düster und trist. Ab und zu, vor allem während Sebastians „Under the Sea“-Song, mag das Bild aufhellen und grell kitschig erscheinen, doch insgesamt gelingt es nicht, der Unterwasserwelt ein wahrhaft märchenhaftes Erscheinungsbild zu verleihen.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


Obwohl der Film visuell seine Schwächen hat, reiht er sich nicht in die Reihe seelenloser Live-Action-Adaptionen ein, da er sich für wenige, aber subtil entscheidende Änderungen entschieden hat. Eine dieser Veränderungen betrifft Eric, der nun nicht mehr nur der begehrenswerte Prinz von 1989 ist, sondern als ein wahrhaftiger Charakter mit eigenen Intentionen hervortritt, die sich um die Öffnung seines Königreichs gegenüber der Außenwelt drehen. Darüber hinaus wird die Geschichte nun lebhaft in der Karibik verankert, und Arielle wird nicht mehr nur von der Kuss-Prämisse getrieben. Stattdessen hat man die Vergangenheit hinter sich gelassen und sich für eine emanzipierte, neugierige Arielle entschieden. Sowohl Arielle als auch Eric sind so keine Marionetten mehr einer kitschigen Prämisse, sondern werden zu Seelenverwandten.

Diese neue Auslegung von „Arielle, die Meerjungfrau“ wird daher zu einem kraftvollen Aufruf für Akzeptanz und Offenheit, sogar in noch größerem Maße als das Original. So zeigt die subtil veränderte Geschichte, warum man diese auch Jahrzehnte später noch erzählen sollte und sie nicht an Relevanz verloren hat. Denn diese Geschichte vermittelt in Zeiten, die keine schwarzen Meerjungfrauen akzeptieren will, eine wichtige Gegenbotschaft, die selbst mit einer Prise Disney-Kitsch nicht an Wirkung verliert und mit wehenden Fahnen des Optimismus eine hoffnungsvolle Schlusspointe setzt. So ist „Arielle, die Meerjungfrau“ letztlich auch ein Film, der ermutigt, uns mit offenem Herzen auf andere Menschen einzulassen und unsere engstirnigen Vorurteile hinter uns zu lassen.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


Auch wenn der Film letztlich sehr aufgeblasen und lang wird, verliert er zu keiner Zeit an Unterhaltungswert. Das liegt vor allem am großartigen Ensemble. Halle Bailey, die zuvor vor allem als Sängerin bekannt war, ist dabei eine wahrhaftige Entdeckung in der Rolle der Titelfigur. Sie spielt alle anderen Darsteller an die Wand und verkörpert Arielle perfekt - stark, verletzlich und neugierig. Sowohl stimmlich als auch schauspielerisch erfüllt sie die Rolle mit Leidenschaft. Ob im epischen „Part Of Your World“-Moment oder in Momenten voller Stille, Halle Bailey reißt das Publikum mit.


Die Chemie zwischen Halle Bailey und Jonah Hauer-King, der Eric verkörpert, überzeugt ebenfalls, obwohl er selbst etwas blass bleibt. Besonders beeindruckend sind auch alle Szenen mit Melissa McCarthy, die die Meereshexe Ursula bombastisch darstellt. Obwohl das CGI bei ihr teilweise verbessert werden könnte und am Ende zu einem grauenhaften CGI-Gewitter wird, ist McCarthy eine starke Besetzung. Sowohl gesanglich als auch physisch zeigt sie hier ihre beeindruckende Präsenz.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


Überraschend mag für einige die Tatsache sein, dass sie hier im Gegensatz zur Zeichentrickversion die Schwester von Triton ist. Diese neue Verwandtschaft verleiht der Geschichte aber auch eine zusätzliche Tragik. Javier Bardem selbst punktet noch als Meereskönig, doch als Vater von Arielle bleibt er leider viel zu emotionslos und die Chemie zwischen ihm und Halle Bailey kommt nicht wirklich zum Tragen.


Bildnachweis: © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved


Die musikalische Untermalung ist ebenso episch wie imposant. Die ikonischen Lieder aus dem Originalfilm entfalten nun auf der großen Leinwand ihre volle Magie. Neue Songs, an denen das Genie hinter „Hamilton“, Lin-Manuel Miranda, beteiligt war, unterstützen das musikalische Flair des Musicals auf ganz unterschiedliche und zugleich klassische Weise. Der großartige Soundtrack ist Disney-Kitsch par excellence und zählt bereits jetzt zu den schönsten musikalischen Untermalungen des Jahres.


Fazit:


Die Live-Action-Adaption von „Arielle, die Meerjungfrau“ ist eine treue Neuauflage des Zeichentrickklassikers aus dem Jahr 1989. Obwohl der Film länger ist und die fotorealistisch animierten Charaktere etwas an Charme verlieren, bewahrt das Remake den Zauber und die Magie des Originals. Mit subtilen Veränderungen vermittelt er eine kraftvolle Botschaft von Akzeptanz und Offenheit. Das großartige Ensemble, angeführt von Halle Bailey als Arielle, und der beeindruckende Soundtrack tragen zur Unterhaltung und emotionalen Wirkung bei. Insgesamt ist „Arielle, die Meerjungfrau“ eine unterhaltsame und inspirierende Neuinterpretation eines zeitlosen Disney-Klassikers.


6 von 10 Punkten


„Arielle, die Meerjungfrau“ ist seit dem 25. Mai 2023 in den Kinos.



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