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Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“

In diesem Interview spricht Johannes Hegemann über seine erste Kinohauptrolle, emotionale Dreharbeiten und wie man eine realhistorische Person verkörpert, von der es abgesehen von wenigen Fotos und Briefen keine Überlieferungen über ihre Verhaltensweisen gibt.


Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“
Bildnachweis: © Pandora Film, Foto: Frédéric Batier

Johannes Hegemann feiert mit „In Liebe, eure Hilde“ sein Spielfilmdebüt und nimmt dabei gleich eine Hauptrolle ein. Der 1996 in Jena geborene Schauspieler, der seine Ausbildung an renommierten Hochschulen in Zürich und Rostock absolvierte, ist bislang vor allem durch seine Bühnenarbeit am Thalia Theater in Hamburg bekannt. Nun verkörpert er Hans Coppi, einen jungen Widerstandskämpfer der „Roten Kapelle“. Der Film entführt in das Berlin des Jahres 1942, wo Hans Coppi gemeinsam mit seiner Frau Hilde im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime kämpft.


Während Hans das riskante Funken für die Sowjetunion erlernt, steht Hilde vor einer unsicheren Zukunft – schwanger und voller Angst vor den Konsequenzen ihrer Taten. Im Interview teilt Johannes Hegemann seine Eindrücke von der Zusammenarbeit mit Regisseur Andreas Dresen, beschreibt, wie es war, mit „Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries vor der Kamera zu stehen und warum „In Liebe, Eure Hilde“ auch sehr gut in die aktuelle Zeit passt.


Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“
Bildnachweis: © Pandora Film, Foto: Frédéric Batier

Der Film Journalist: Wie kam es dazu, dass du nun Teil des neuen Films von Andreas Dresen bist?


Johannes Hegemann: „So genau weiß ich das selbst gar nicht, aber ich glaube, dass Andreas auf mich aufmerksam wurde, weil ich auf der Schauspielschule in Rostock war, und Andy [gemeint ist Andreas Dresen] dort als Dozent ein- bis zweimal im Jahr Filmworkshops gibt. Ich war schon im letzten Jahr, also kurz vor dem Abschluss, und hatte dann auch diesen Kurs bei ihm und einen Kurzfilm gedreht, den Andy begleitet hat. Dadurch kannte er mich, und das hat dann vielleicht dazu geführt, dass er mich zwei Jahre später zum Casting eingeladen hat.“


Der Film Journalist: Erinnerst du dich noch, was deine Gedanken waren, als du das Drehbuch zum ersten Mal gelesen hast?


Johannes Hegemann: „Ich war richtig überwältigt von der Heftigkeit, gerade am Ende. Ich weiß, dass ich vor dem Lesen der Geschichte wusste, wie sie ausgeht, und doch hatte ich beim Lesen die Hoffnung, dass es irgendwie gut ausgeht.“


Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“
Bildnachweis: © Pandora Film, Foto: Frédéric Batier

Der Film Journalist: Du spielst den Hans Coppi, der im Dritten Reich zur Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ gehörte und diese Zeit bekanntlich auch nicht überlebte. Was macht ihn aus?


Johannes Hegemann: „Also, ich glaube, Hans Coppi wusste ganz genau, was er tat. Er war ein sehr belesener junger Mann, sehr reif für sein Alter, sehr reflektiert, sehr überlegt und einfach ein wirklich guter Mensch. Doch auch ein komplett normaler junger Mann, der mit Herzblut bei der Sache war, der seine erste große Liebe erlebte und auch Lust aufs Leben hatte. Das wird im Film, glaube ich, auch ganz schön dargestellt, diese Ambivalenz zwischen dieser sommerlichen, unbeschwerten Stimmung und dem Ernst, dem sich Hans Coppi bewusst war. Ich glaube, er wusste, dass das ein Todesurteil ist, wenn alles auffliegt.“


Der Film Journalist: Da Hans Coppi eine realhistorische Person war, zu der man einiges nachlesen kann – wie hast du dich auf die Verkörperung vorbereitet?


Johannes Hegemann: „Ich habe tatsächlich einmal während der Dreharbeiten Hans Coppi Junior getroffen, aber das war nicht Teil meiner Vorbereitung. Es gab jedoch Fotos und Briefe, die Hans Coppi geschrieben hat, und die haben ihn mir nähergebracht. Persönliche Zeugnisse zu lesen, hat mir geholfen, und ich habe viel über die Schule, die er besuchte, und die Zeit damals gelesen, um mir näherzubringen, wie jemand in diesem Arbeitermilieu der 1920er- und 1930er-Jahre in Berlin lebte. Es gab keine Bewegtbilder von Hans Coppi, er war zu Lebzeiten nicht berühmt. Das hat mir viel Freiheit in meiner Interpretation gelassen, weil es niemanden mehr gibt, der sich an ihn erinnern könnte. Sein Sohn, der jetzt 81 Jahre alt ist, hat ihn nur einmal als kleines Kind getroffen. Daher kam viel Interpretation von mir, der Regie und der Drehbuchautorin.“


Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“
Bildnachweis: © Pandora Film, Foto: Frédéric Batier

Der Film Journalist: „In Liebe, Eure Hilde“ ist Andreas Dresens 28. Langspielfilm. Er sagte einmal, dass es beim Dreh oft sehr emotional zuging. Wie hast du die Dreharbeiten erlebt?


Johannes Hegemann: „Es hatte einen Einfluss auf alle am Set, dass man wusste, worauf alles hinausläuft. Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv, aber es gab auch leichtere Momente. Sonst hätte man so einen Dreh gar nicht durchgehalten. Ich habe im Film gar nicht so viele heftige Gefängnisszenen, die schrecklichen Szenen spielt vor allem Liv [gemeint ist Liv Lisa Fries]. Das war, glaube ich, noch einmal eine ganz andere Nummer. In den Szenen, in denen ich bin, herrscht oft eine gewisse Leichtigkeit, da hatten wir auch Spaß. Es war nicht immer nur eine bedrückte Stimmung, sondern auch ein netter und lockerer Umgang am Set.“


Der Film Journalist: Wie würdest du die Zusammenarbeit mit Andreas Dresen und Liv-Lisa Fries beschreiben?


Johannes Hegemann: „Zu Andy [gemeint ist Andreas Dresen] kann ich sagen, dass er einfach ein sehr herzlicher Mensch ist, und das gilt auch als Regisseur. Er weiß zwar genau, was er möchte, aber er ist auch sehr sanft und warm. Das hat mir totale Sicherheit und Ruhe gegeben, und ich habe mich dadurch wahnsinnig gut aufgehoben gefühlt. Es war einfach eine schöne Erfahrung. Bei Liv [gemeint ist Liv Lisa Fries] war es für mich natürlich verrückt, weil ich vorher eigentlich nichts gedreht habe und dann gleich mit Liv Lisa Fries, die ich aus `Babylon Berlin´ kannte. Sie ist ja ein Star im deutschen Film, und deshalb war ich total aufgeregt. Aber sie war so locker und cool, dass sie mir die Aufregung relativ schnell genommen hat. Wir sind uns total auf Augenhöhe begegnet, und wenn die Kamera lief, war sie ein unglaublicher Vollprofi, so präsent und im Moment.“


Johannes Hegemann mit Liv-Lisa Fries und Andreas Dresen:

Johannes Hegemann im Interview zu „In Liebe, Eure Hilde“: „Zwischendurch war es schon sehr bedrückend und intensiv“
Bildnachweis: © Richard Hübner/ Berlinale 2024

Der Film Journalist: Am 17. Oktober 2024 kommt „In Liebe, Eure Hilde“ in die Kinos. Daher die Abschlussfrage: Warum sollte man sich den Film unbedingt ansehen und was kann man aus dem Kinobesuch mitnehmen?


Johannes Hegemann: „Man darf sich nicht einbilden, dass wir so etwas nie wieder erleben könnten, dass ein autoritäres, rechtsextremes und faschistisches Regime nicht wiederkommt, und dass das damals nur brüllende Monster waren, die ständig in NS-Uniformen herumliefen. So war es nicht. Es war Alltag, es gab viel Mitläufertum und eine stille Masse, die das einfach mitgetragen hat. Und das macht diesen Film so eindrücklich und gibt ihm eine heutige Relevanz. Wir müssen auch heute aufpassen, denn Demokratie ist ein kostbares Gut, und nicht selbstverständlich. Der Film kann jedem mitgeben, dass es sich immer lohnt, eine Haltung zu haben, für die Demokratie einzustehen und sich gegen faschistische, menschenverachtende Zustände zu wehren.“


Sieh jetzt den Trailer zu „In Liebe, Eure Hilde“:


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