Seit 1994 hat Indien keinen Film mehr im Hauptwettbewerb der renommierten Filmfestspiele von Cannes präsentiert. Doch diese lange Pause findet nun ein Ende, denn nach genau drei Jahrzehnten wird Indien wieder mit einem Film im Wettbewerb vertreten sein.
Die Filmfestspiele von Cannes, die seit ihrer Gründung im Jahr 1946 alljährlich im Mai an der französischen Riviera stattfinden, gelten als eines der prestigeträchtigsten Filmfestivals der Welt. Sie ziehen die Aufmerksamkeit von Filmemachern, Schauspielern, Kritikern und Fans aus der ganzen Welt auf sich. Die glamourösen roten Teppiche, auf denen die Stars posieren, und die neuesten Modetrends sind nur die äußere Hülle dieses Festivals. Tief im Herzen von Cannes dreht sich alles um die Kunst des Films. Die Auswahl der Filme, die es in den Wettbewerb schaffen, ist äußerst selektiv. Nur die besten Beiträge aus einer Vielzahl von Genres und Stilen werden in den Ring geworfen.
Die begehrteste Trophäe, die Goldene Palme, wird alljährlich für den besten Spielfilm verliehen. Eine Jury von renommierten Filmschaffenden aus der ganzen Welt hat die schwierige Aufgabe, aus einer Fülle beeindruckender Filme den Gewinner auszuwählen. Doch während Cannes für Glanz und Glamour bekannt ist, bietet es auch eine Plattform für Filmemacher, um ihre Arbeit einem internationalen Publikum zu präsentieren und Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Der Markt von Cannes ist ein Schmelztiegel der Kreativität, wo Ideen ausgetauscht, Talente entdeckt und neue Trends gesetzt werden.
Für Indien, die eigentlich größte Filmindustrie der Welt, markiert die Teilnahme am Hauptwettbewerb von Cannes einen bedeutsamen Moment. Die letzte indische Produktion, die diese Ehre erfuhr, war „Swaham“ von Regisseur Shaji N. Karun im Jahr 1994. Dreißig Jahre später bricht Indien nun seine Pause mit „All We Imagine As Light“. Dieser Film, gedreht an 25 Tagen in Mumbai und weiteren 15 Tagen in der Hafenstadt Ratnagiri im Westen, erzählt die bewegende Geschichte zweier junger Frauen, Prabha und Anu.
Die Protagonistin Prabha, die als Krankenschwester arbeitet, sieht sich plötzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, als sie von ihrem entfremdeten Ehemann ein Geschenk erhält. Dieses unerwartete Ereignis reißt alte Wunden auf und stürzt Prabha in ein tiefes emotionales Chaos. Parallel dazu verfolgt der Film die Geschichte von Anu, Prabhas Mitbewohnerin, die verzweifelt einen Platz in der geschäftigen Metropole sucht, an dem sie mit ihrem Partner intim sein kann. Diese Suche führt die beiden Frauen auf einen Ausflug zum Strand, wo sie schließlich eine unerwartete Zuflucht finden. Durch diese ineinandergreifenden Erzählstränge beleuchtet Regisseurin und Drehbuchautorin Payal Kapadia die Themen Entfremdung, Sehnsucht und die Suche nach persönlicher Freiheit in einer pulsierenden, doch oft erdrückenden Stadtlandschaft von Mumbai.
Der Film ist eine besondere Zusammenarbeit zwischen Indien und Frankreich. Die französischen Produzenten Thomas Hakim und Julien Graff von Petit Chaos arbeiteten gemeinsam mit dem indischen Produzenten Zico Maitra von Chalk & Cheese Films an diesem Projekt. „All We Imagine As Light“ ist auch der erste Spielfilm von Chalk & Cheese Films, die bisher hauptsächlich Werbespots produziert haben. Dank europäischer Fördermittel und Stipendien, wie dem Hubert-Bals-Stipendium und der Cinéfondation Residency, konnte Kapadia einige Zeit in Europa verbringen und dort ihre Arbeit weiterentwickeln. Diese Unterstützung ermöglichte es dem Team, die Finanzierung für den Film zu sichern.
Doch auch wenn der Film eine internationale Koproduktion ist, entstand der Film selbst letztlich in Indien. „Der gesamte Film wurde in Indien gedreht, mit einer Besetzung und Crew, die zu 99% aus Indien besteht“, erklärte so Hakim, wie das US-amerikanische Branchenmagazin Deadline berichtet. Mit „All We Imagine As Light“ wird nicht nur ein weiterer indischer Film auf der internationalen Bühne präsentiert, sondern es zeigt auch, wie wichtig internationale Kooperationen und Unterstützung für den Erfolg unabhängiger Filmschaffender sind. Die Weltpremiere von „All We Imagine As Light“ wird am 23. Mai 2024 stattfinden.
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