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Das Jahr nach Hollywoods Doppelstreik: Was hat er gebracht?

Das Jahr 2023 wird in die Geschichte Hollywoods als das Jahr eines tiefgreifenden Streiks eingehen, der sowohl Schauspielende als auch Drehbuchautor*innen betroffen hat und erhebliche Auswirkungen auf die Filmindustrie hatte. Rund ein Jahr nach diesem außergewöhnlichen Ereignis wird es Zeit, Bilanz zu ziehen: Was hat der Streik gebracht?


Das Jahr nach Hollywoods Doppelstreik: Was hat er gebracht?
Bildnachweis: Eigenes Design mit Canva

Unbelebte Kulissen, verwaiste Requisiten und ein stiller Raum, der von der hektischen Kreativität der Filmproduktion vergangener Tage zeugt. Ein Symbolbild für den beispiellosen Hollywood-Streik von 2023, der die Unterhaltungsindustrie erschütterte und eine umfassende Diskussion über die Zukunft der Branche auslöste. Ein Jahr später stehen die Beteiligten vor der Frage, ob das Opfer der Auszeit von der Produktion die erhofften Erfolge brachte oder ob er vielmehr ein großer Fehler war. Doch bevor wir die Folgen betrachten, werfen wir einen Blick zurück, um zu verstehen, wie es überhaupt zum Streik der Gewerkschaft der Drehbuchautorinnen WGA (Writers Guild of America) und der Vertretung der Schauspielerinnen SAG-AFTRA (Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists) kam.


Die Ursachen für den beispiellosen Streik waren vielschichtig. Im Zentrum des Konflikts stand die Frage nach gerechter Bezahlung und sogenannten Residuals, den jährlichen Zahlungen, die Schauspielende und Drehbuchautor*innen für TV-Ausstrahlungen und Wiederaufführungen ihrer Arbeiten erhalten. Im Streaming-Zeitalter verloren diese Vergütungen jedoch an Bedeutung, da Streaming-Dienste unter anderem die Möglichkeit der „Streaming-Purge“ haben und gewisse Titel wieder entfernen können, um Kosten zu sparen. Darüber hinaus waren die Streikenden besorgt über den wachsenden Einfluss der künstlichen Intelligenz, die ihre zukünftige Beschäftigung bedroht. Nach 148 Tagen Streik der Drehbuchautor*innen, die Anfang Mai die Arbeit niederlegten, schlossen sich im Juli auch die Schauspieler*innen dem Ausstand an, der insgesamt 118 Tage dauerte.


Die Auswirkungen des Streiks waren weitreichend und betrafen nahezu jeden Aspekt der Film- und Fernsehproduktion, von der Schließung von Drehorten und Studios bis hin zur Unterbrechung von Vertragsverhandlungen und Marketingaktivitäten. Zunächst wurde der Streik durch eine intensive Mobilisierung der Gewerkschaften und ihrer Mitstreitenden ins Rollen gebracht, unterstützt durch umfangreiche Kommunikationskampagnen, die die Dringlichkeit und Relevanz ihrer Forderungen unterstrichen. Dies schuf ein beeindruckendes Maß an Einigkeit und Solidarität unter den Streikenden, wobei sowohl große Stars der Branche als auch weniger prominente Gewerkschaftsmitglieder gemeinsam für ihre Rechte und Interessen kämpften.


Das Jahr nach Hollywoods Doppelstreik: Was hat er gebracht?
Bildnachweis: Phil Roeder aus Des Moines, IA, USA, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Parallel dazu führten die Studios eine sorgfältige Risikobewertung durch und entwickelten Gegenstrategien, um die Auswirkungen des Streiks zu minimieren, einschließlich der Verschiebung von Produktionen und der Suche nach alternativen Finanzierungs- und Vertriebswegen. Trotz anfänglicher Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und den Filmstudios blieb eine schnelle Einigung aus, was zu einer zunehmenden Verschärfung der Spannungen führte. In dieser Zeit erhielt der Arbeitskampf erhebliche Medienaufmerksamkeit, mit täglichen Berichten in Nachrichtensendungen und einer Welle der Solidarität von Prominenten aus der Unterhaltungsindustrie. Während die Streikenden und ihre Unterstützenden öffentliche Demonstrationen und Protestmärsche organisierten, summierten sich die wirtschaftlichen Verluste für die Branche in kürzester Zeit auf Milliarden von Dollar.


Darüber hinaus führte der Arbeitskampf zu einer tiefgreifenden Spaltung innerhalb der Branche, wobei die Fronten zwischen den Streikenden und den Studios immer stärker verhärtet wurden. Dies führte zu einer anhaltenden monatelangen Pattsituation, die beide Seiten finanziell belastete und zu erheblichen Verlusten führte. Schließlich, nach Monaten intensiver Verhandlungen und öffentlichen Drucks, wurde eine vorläufige Einigung erzielt, die zwar einige der Hauptforderungen der Gewerkschaften erfüllte, aber auch viele Fragen und Unsicherheiten für die Zukunft der Branche offen ließ und lässt. Doch was hat sich in den rund acht Monaten seit dem Streikende getan?


Erste Auswirkungen des Hollywood-Doppelstreiks waren schnell spürbar: Verschiebungen von Startterminen, Absetzungen von Serien und Filme sowie eine allgemeine Unsicherheit über die Richtung, die die Filmindustrie einschlagen wird. Unter anderem begründeten die kanadischen BRON Studios aufgrund des Streiks die Insolvenz. Langfristig haben sich nun vor allem die Bedingungen in Hollywood verschärft: Die Beschäftigung in der Unterhaltungsbranche in Los Angeles sank so um 17 Prozent und die Produktion in den Vereinigten Staaten reduzierte sich im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent, wie das Branchenmagazin The Hollywood Reporter berichtet. Viele Arbeitende kehrten nach dem Streik mit erschöpften Ersparnissen zurück, während große Unternehmen aggressive Kostensenkungen vornahmen.


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Bildnachweis: ufcw770, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Rückwirkend sind die Meinungen über die Wirksamkeit des Streiks nun auch gespalten. David Slack, ehemaliges Vorstandsmitglied der WGA West, hält den Streik beispielsweise weiterhin für notwendig, insbesondere zum Schutz vor künstlicher Intelligenz. Auch Schauspieler Thomas Ochoa von SAG-AFTRA sieht den Streik als Erfolg, der die Gewerkschaft gestärkt habe. Allerdings wird der Streik von Agenten und Führungskräften eher als schädlich für das Geschäft angesehen, insbesondere in einer Zeit, in der die Branche bereits durch Konsolidierung und den Fokus der Wall Street auf Rentabilität unter Druck steht. Gewerkschaftsführer betonen hingegen die Bedeutung der erzielten Fortschritte. Meredith Stiehm, Präsidentin der WGA West, und Duncan Crabtree-Ireland, nationaler Geschäftsführer der SAG-AFTRA, betonen, dass die Streiks notwendig waren, um den Abwärtsdruck auf Löhne und Arbeitsbedingungen zu stoppen. Die neuen Gewerkschaftsverträge zeigen erste Auswirkungen, wie die umstrittene Einführung von Mindestgrößen für Autorenräume. Während einige die höheren Mindestlöhne loben, kritisieren andere die Qualität der dadurch entstandenen Mini-Rooms.


SAG-AFTRA hat einen der bedeutendsten Vertragsgewinne des Jahres 2023 erzielt: einen Bonus für Darsteller erfolgreicher Streaming-Titel. 75 Prozent des Bonus gehen direkt an die Beteiligten der jeweiligen Produktion, während 25 Prozent in einen größeren, noch zu bestimmenden Pool fließen sollen. Schätzungen zufolge könnte dieser Bonus im Verlauf des Dreijahresvertrags etwa 120 Millionen Dollar einbringen. Acht Monate nach dem Ende des Streiks sind jedoch noch immer keine Einzelheiten über den größeren Pool bekannt, was zu Unzufriedenheit unter den Mitgliedern führt. Kevin McCorkle, Vorstandsmitglied der LA Local, kritisiert die Bonusregelungen als unzureichend verhandelt.


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Bildnachweis: CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Ein wesentlicher Erfolg des Streiks betrifft die Regelungen zur Künstlichen Intelligenz (KI), wobei vereinbart wurde, dass KI nicht zum Schreiben oder Umschreiben von Drehbüchern verwendet werden darf. Trotz Fortschritten gibt es unter Gewerkschaftsmitgliedern Bedenken. Nandini Bapat und Marie Fink berichteten von Problemen bei der Zustimmung zu digitalen Repliken in ihren Verträgen, die als Einstellungsbedingung verlangt wurde. Die SAG-AFTRA erklärte, dass eine 48-stündige Vorankündigung und eine detaillierte Beschreibung der Nutzung erforderlich seien. Renard Jenkins, Präsident und CEO des Beratungsunternehmens I2A2, hält die KI-Regelungen der WGA für gültig, da KI-generierte Werke nicht urheberrechtlich geschützt sind, betont jedoch, dass die SAG-AFTRA-Regelungen mit der technologischen Entwicklung Schritt halten müssen. Die Nutzung von Autorenmaterial für KI-Training könnte rechtlich geprüft werden müssen.


Eines ist aber klar – der Hollywood-Streik von 2023 hat tiefe Spuren in der Filmindustrie hinterlassen und die Branche vor grundlegende Fragen gestellt. Während die unmittelbaren Auswirkungen wie Produktionsverzögerungen und wirtschaftliche Verluste deutlich spürbar sind, offenbart sich das größere Bild erst jetzt: Die Konflikte zwischen den Gewerkschaften und den Studios haben langfristige Herausforderungen und notwendige Anpassungen aufgezeigt. Der Streik hat grundlegende Themen wie gerechte Bezahlung und den Einfluss der Künstlichen Intelligenz in den Vordergrund gerückt, die die Zukunft der Branche prägen werden. Doch der wahre Erfolg oder Misserfolg wird sich erst mit der Zeit zeigen, wenn die neuen Vertragsbedingungen und Regelungen vollständig umgesetzt und auf ihre Wirksamkeit geprüft werden.

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